Städte-Duell Wittlich gegen Bitburg: Von Schweinen, Ziegen und Plätzen zum Verlieben

Bitburg/Wittlich · Bitburg gegen Wittlich. Was macht diese Städte aus? Wie wirken Sie auf Gäste und Touristen? Wo sind Stärken und Schwächen? Auf diese Fragen suchen wir heute Antworten und haben dazu unseren Redakteur Rainer Neubert aus Trier losgeschickt, der beide Städte bislang nur sehr wenig kannte. Sein Auftrag: Ein sehr persönlicher Bericht für das Städteduell.

 Hochzeit im Wohnzimmer von Wittlich: Katja Lensch und Kai Krall aus Hupperath haben sich im Alten Rathaus getraut.

Hochzeit im Wohnzimmer von Wittlich: Katja Lensch und Kai Krall aus Hupperath haben sich im Alten Rathaus getraut.

Foto: Rainer Neubert

Wittlich

Die Stadt Wittlich passt auf ein Stück Toilettenpapier. Nein, keines aus der Hygieneabteilung. Wer in Wittlich in die Touristinformation am überraschend menschenleeren Marktplatz geht und nach einem Stadtplan fragt, hält kurze Zeit später ein bunt bedrucktes Blatt Hochglanzpapier in der Hand, das mit dem Logo "nette Toilette" gekennzeichnet ist. "Hier finden Sie auch die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt", hatte die nette Dame im Erdgeschoss des prächtig restaurierten Hotelgebäudes gesagt.

So mache ich mich also auf den Weg der auf dem Toilettenplan beschriebenen Altstadtrunde. Dass die eigentlich für Radfahrer ausgezeichnet ist, erkenne ich erst, als mir ein freundlicher ein Einheimischer erklärt, dass es kein sonderbar geformter Flusslauf ist, der da den Wegverlauf auf dem Pflaster markiert, sondern ein blau stilisierter Fahrradlenker. Aha …

Mein Auftrag ist klar formuliert: "Du kennst Dich als Trierer weder in Wittlich noch in Bitburg aus", hatten die Kollegen in der Redaktion gesagt. "Da kannst du doch für unser Duell prima aus Deiner ganz persönlichen Sicht berichten, welchen Eindruck die Städte auf Ortsfremde machen." Unkenntnis trifft Neugier. Damit bin ich an diesem Tag nicht allein. Auf dem idyllischen Rathausplatz, der von prächtigen Renaissance- und Barockbauten umrahmt ist und immer freitags als Kulisse für Hochzeiten dient, treffe ich Anka und Martin Weidler aus Waldfischbach in der Pfalz. Als professionell ausgerüstete Die Radtouristen machen auf ihrer Fahrt über den Maare-Mosel-Radweg von Daun nach Bernkastel-Kues in Wittlich einen Zwischenstopp. "Wir kannten die Stadt nicht und sind überrascht, wie hübsch es hier ist", sagt Martin Weidler. Dass seine fotografierende Frau eine Kollegin der Pirmasenser Zeitung ist, realisiere ich erst, als ich mir später ihre Visitenkarte genauer ansehe.

Den Radtouristen kann ich nicht widersprechen: Die Altstadt ist ein Juwel. Würde sie an der Mosel liegen, könnte sie als touristischer Magnet mit Traben-Trarbach , Zell oder Bernkastel-Kues konkurrieren. Da Wittlich aber Menschen wie mir vor allem durch Gewerbeansiedlungen und die Justizvollzugsanstalt bekannt sind, ist die Passantenfrequenz im Kern des Mittelzentrums an der Lieser oft sehr überschaubar. Das ändern auch die attraktiv gelegenen und gut ausgeschilderten 570 kostenlosen Parkplätze nicht, die nur zwei Gehminuten von der Altstadt entfernt liegen und an einen wunderbaren Stadtpark grenzen. Stadtpark? Ja, es ist dieses schöne Wiesengelände mit seinen interessanten Skulpturen, das vor Gästen von auswärts prima durch hohe Hecken gut abgeschirmt wird.

An der Lieser wird derzeit zwar mächtig Erde bewegt, aber beherrscht auf dem gleichnamigen Platz und ein paar Meter weiter wirklich so etwas wie Betriebsamkeit, vor allem, wenn der kleine Wochenmarkt lockt. Hier, am Rande der Unterstadt ist die gemütlichste Ecke, um sich an schönen Sonnentagen kulinarischen Genüssen hinzugeben. Etwas mehr Außengastronomie auch auf dem Marktplatz wäre sicher keine schlechte Idee. Vielleicht würde dann nicht nur ich ein außergewöhnliches Kunstjuwel nur versehentlich wahrnehmen: Mein erster Gedanke beim Schild "Casa Toni M." geht jedenfalls in Richtung Pizzeria. Dass sich dahinter der bekannte Künstler Toni Munzlinger beziehungsweise eine wunderschön präsentierte Schau vieler seiner Werke verbirgt … Über einen Hinweis darauf wären mehr Ortsfremde froh. Die ruhige Altstadt von Wittlich verzaubert mit wunderschönen Straßen und Ecken.

Richtig viel los ist in der Stadt - das Oktoberfest des örtlichen Einzelhandelsprimus sei hier nur kurz erwähnt - in den Tagen der Säubrennerkirmes.

Schweine gibt es in Wittlich tatsächlich überall, in Bronze gegossen, aus Stein, auf Plakaten, in den Namen von Lokalen und Geschäften. Die unrühmliche Geschichte, warum das grunzende Wappentier auf Bildern und Logos so häufig über Feuer brutzelt, ist auch auf dem netten Toilettenplan nachzulesen.

Aber weiter mit dem Stadtrundgang: Der Riesenkirmes im August wurden wohl die weitläufigen Platzflächen am Rande der Oberstadt gewidmet. Pech für alle, die an einem hochsommerlichen Tag dort unterwegs sein müssen. Sind Sie schon einmal über eine überdimensionale Bratpfanne stolziert? Nun ja, irgendwo müssen die Fahrgeschäfte und Stände an den drei Festagen ja stehen. Sorry Wittlich, städtebaulich attraktiv geht anders. Und ob die Schlossgalerie und die großen Geschäfte auf der Grünen Wiese ein Problem für die Altstadt sind? Diese Frage müssen die kommunalen Politiker beantworten. Dass gefühlt jedes fünfte Geschäft in der Fußgängerzone leer steht, ist jedenfalls schade. Aber als Tourist will ich ja nicht einkaufen, sondern schauen und genießen. Und dafür bietet Wittlich tatsächlich deutlich mehr als ich erwartet hatte. Und mehr, als in diesen Text passt. Es ist eine schöne Stadt mit Überraschungen, viel Schwein und wirklich liebenswerten Ecken.Bitburg

 Mitten im Bitburger Zentrum: der Gäßestrepper-Brunnen.

Mitten im Bitburger Zentrum: der Gäßestrepper-Brunnen.

Foto: Rainer Neubert
 Schweinerei am Wittlicher Schlossplatz.

Schweinerei am Wittlicher Schlossplatz.

Foto: Rainer Neubert
 In der Glasfassade von Stadthalle und Bitburger Marken-Erlebniswelt spiegeln sich Rathaus und Liebfrauenkirche.

In der Glasfassade von Stadthalle und Bitburger Marken-Erlebniswelt spiegeln sich Rathaus und Liebfrauenkirche.

Foto: Rainer Neubert
 Berliner Mauer am Wittlicher Lieser-Ufer

Berliner Mauer am Wittlicher Lieser-Ufer

Foto: Rainer Neubert
 Römische Hinterlassenschaften locken auch Schulklassen: Stadtrallye an der Bitburger Jupiter-Säule.

Römische Hinterlassenschaften locken auch Schulklassen: Stadtrallye an der Bitburger Jupiter-Säule.

Foto: Rainer Neubert
 Anka und Martin Weidler freuen sich über schöne Häuser am Wittlicher Marktplatz.

Anka und Martin Weidler freuen sich über schöne Häuser am Wittlicher Marktplatz.

Foto: Rainer Neubert
 Wasserspiel Am Spittel in Bitburg.

Wasserspiel Am Spittel in Bitburg.

Foto: Rainer Neubert
 Blickfang am Wittlicher "Türmchen"

Blickfang am Wittlicher "Türmchen"

Foto: Rainer Neubert
 Monika König ist eine der Damen, die durch die Bitburger-Erlebniswelt führen.

Monika König ist eine der Damen, die durch die Bitburger-Erlebniswelt führen.

Foto: Rainer Neubert
 Rastplatz in der Wittlicher Burgstraße.

Rastplatz in der Wittlicher Burgstraße.

Foto: Rainer Neubert
 Am Bitburger Bedaplatz dominiert vor allem das bunte Blech der Autos.

Am Bitburger Bedaplatz dominiert vor allem das bunte Blech der Autos.

Foto: Rainer Neubert
 Wahrzeichen und Kulturstätte: die Synagoge in der Himmeroder Straße.

Wahrzeichen und Kulturstätte: die Synagoge in der Himmeroder Straße.

Foto: Rainer Neubert
 Wandskulptur am Haus Beda in Bitburg.

Wandskulptur am Haus Beda in Bitburg.

Foto: Rainer Neubert
 Durchblick im Wittlicher Stadtpark.

Durchblick im Wittlicher Stadtpark.

Foto: Rainer Neubert
 So könnte Bitburg vor 2000 Jahren ausgesehen haben. Von den Türmen gibt es noch zahlreiche Überreste.

So könnte Bitburg vor 2000 Jahren ausgesehen haben. Von den Türmen gibt es noch zahlreiche Überreste.

Foto: Rainer Neubert
 Ansichtssache: die Katholische Kirche als Spiegelbild in der Wittlicher Karrstraße.

Ansichtssache: die Katholische Kirche als Spiegelbild in der Wittlicher Karrstraße.

Foto: Rainer Neubert
 Im Norden der Altstadt finden sich noch Reste der römischen und später mittelalterlichen Stadtmauer.

Im Norden der Altstadt finden sich noch Reste der römischen und später mittelalterlichen Stadtmauer.

Foto: Rainer Neubert

Was an Bitburg am meisten überrascht, sind die vielen alten Steine. Aber das wird mir erst bewusst, nachdem ich mich vom Bedaplatz zur Tourist-Information durchgefragt habe. Dort, im modernen Ambiente von Stadthalle und Bitburger Marken-Erlebniswelt, erhalte ich von einer vorbildlich höflichen Mitarbeiterin auf die Frage nach dem touristischen Pflichtprogramm für Zugereiste einen ähnlich nützlichen Plan wie den mit der netten Toilette in Wittlich.

"Ich empfehle Ihnen den archäologischen Rundweg", sagt sie mit einem Lächeln und deutet auf den Flyer, auf dem der Verlauf des römischen Kastells eingezeichnet ist. Es erstreckte sich vor 2000 Jahren in einem Oval, das ungefähr die Hälfte der heutigen Altstadt einnahm. 90 Minuten später weiß ich, dass von vielen der römischen Kastelltürme tatsächlich noch Fundamente oder einige Steinreihen mehr erhalten sind. Um sich von dem alten Bauwerk ein Bild zu machen, empfiehlt sich ein Blick auf das Modell im Foyer der Stadthalle.

Es ist gleichzeitig der Empfangsbereich für die Gäste der Bitburger Brauerei, die sich hier für eine 60-minütige Führung anmelden können. Ohne Frage ist die Braugruppe ein großer Glücksfall für die Stadt. Sie ist nicht nur größter Arbeitgeber und hat maßgeblich den modernsten Gebäudekomplex des Mittelzentrums mitfinanziert. Weil jährlich 40.000 Menschen aus ganz Europa sehen wollen, wo und wie das berühmte Bier der Eifel gebraut wird, ist auch die wenige Meter entfernte Altstadt belebter als die der Städteduell-Konkurrentin.

Historische Bausubstanz gibt es in Bitburg dennoch weniger. Zu groß waren die Zerstörungen durch die Bombardements am Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Rathaus in Kombination mit der Liebfrauenkirche ist da eine Ausnahme. Die römischen Überbleibsel sind derweil hübsch in Szene gesetzt und allesamt mit Erklärungstafeln versehen. Wer Lust und Zeit hat, sich einer Fremdenführung anzuschießen, der erlebt hier wahlweise auch einen fast echten Römer, der die Geschichte Bitburgs erzählt.

Die Klasse aus Bergisch Gladbach, die mir auf der Erkundungstour an der Jupitersäule am nördlichen Ende der Fußgängerzone über die Füße läuft, würde sich über einen solchen Luxus freuen. "Ich komme nicht zurecht", stöhnt einer der Halbwüchsigen und brütet über dem Rätselblatt der historischen Schnitzeljagd. "Das Lösungswort ist Herkules", ruft ihm ein Freund zu, der auf der anderen Seite der Stele die Beschreibung entziffert hat.

Doch es gibt nicht nur Schüler, Römer, Götter und Helden. Auch für Bitburg sind Tiere wichtig, die, in Bronze gegossen oder anderer Form, regelmäßig im Stadtbild auftauchen. Während gegrillte Schweine die Wittlicher froh machen, erinnern die Bitburger daran, wie im Mittelalter findige Jugendliche mit übergeworfenen Ziegenfellen die Belagerer der Stadt getäuscht haben. Der Gäßestrepper-Brunnen, der tatsächlich im Mittelpunkt der Stadt steht, erzählt davon.

Weniger prominent platziert, dafür aber schöner sind die lebensgroßen Skulpturen am ehemaligen Pferdemarkt. Auch Bettina und Veit Stiller sind von der landwirtschaftlichen Szene begeistert. Sie kommen aus Berlin und verbringen elf Tage in der Region. "Wir schauen uns in den Städten immer Postkarten an, um auf besondere Sehenswürdigkeiten aufmerksam zu werden", sagt Bettina Stiller. Ihr Mann hält die sehenswerten Motive mit seinem Fotoapparat fest.

Die farbenfrohen Kostüme, die beim Folklorefestival, dem größten Fest, durch die Stadt getanzt werden, muss er allerdings zu einer anderen Zeit fotografieren. Und auch für dem Bedamarkt, der für den riesigen Parkplatz am Rande der Altstadt verantwortlich ist, ist ein anderer Reisetermin empfehlenswert.

Kriegerdenkmal, Konrad-Adenauer-Platz oder Spittel. Das sind weitere markante Punkte bei einer Altstadtumrundung. Viele Grünflächen sind dabei nicht zu entdecken - auch nicht bei der Bitburger Brauerei. Die grünen Hopfenfelder der Eifel werden dort zumindest bei der multivisionellen Führung durch die Erlebniswelt gezeigt. Wenn die sonore Stimme von Rolf Schult alias Robert Redford den Entstehungsprozess des Bitburger Bieres erklärt, ist das alleine ein Erlebnis. Wenn der Durst seinen Höhepunkt erreicht, gibt es zur Belohnung ein frisch gezapftes Pils, wahlweise auch alkoholfrei. An diesen Besuch werden sich auch Bettina und Veit Stiller erinnern, wenn sie in Zukunft in einer Gaststätte mit dem Genießer-Logo einkehren.

Wer ist also Sieger dieses subjektiven Städtevergleichs? Reine Geschmacksache: Schöner ist die Altstadt von Wittlich, lebendiger ist die von Bitburg. Einen Besuch lohnen beide.

Rainer Neubert

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