„Wie ein Stich ins Herz“: Protest der Mitarbeiter von Kirsch Energy Systems

Trier. · Mitarbeiter der Kirsch GmbH protestieren am Dienstag vor dem Werkstor gegen die geplante Schließung ihres Betriebs. Dabei fallen harte Worte.

 Die Mittagspause wird am Dienstag zur Protestkundgebung am Werkstor von Kirsch Energy Systems in Trier-Biewer. Der Mutterkonzern Prettl will den Betrieb schließen. TV-Foto: Friedemann Vetter

Die Mittagspause wird am Dienstag zur Protestkundgebung am Werkstor von Kirsch Energy Systems in Trier-Biewer. Der Mutterkonzern Prettl will den Betrieb schließen. TV-Foto: Friedemann Vetter


Es ist 12.30 Uhr. Bei Kirsch Energy Systems im Trierer Stadtteil Biewer beginnt die Mittagspause. Sie wird dieses Mal anders verlaufen als gewohnt. Viele Mitarbeiter des Betriebs versammeln sich vor dem Werkstor, unterstützt von ehemaligen Kollegen, die zwar längst im Ruhestand sind, aber ebenfalls jede Menge Wut und Empörung empfinden. Die Kirsch GmbH soll geschlossen werden, die Sozialplanverhandlungen sind gescheitert. Mitte März hatte die Prettl-Gruppe mitgeteilt, sie wolle die Kirsch GmbH Ende August schließen.

Prettl ist eine Unternehmensgruppe aus Baden-Württemberg mit fast 10.000 Mitarbeitern und Standorten in 25 Ländern. 2008 hatte Prettl die Trierer Traditionsfirma Kirsch übernommen. Kirsch-Geschäftsführer Steffen Wieland hatte im März betont, "sozial verträgliche Lösungen für alle betroffenen Mitarbeiter" finden zu wollen. Doch die Sozialplanverhandlungen führten nicht zum Erfolg.

Prettl-Sprecher Daniel Stuckert bestätigt am Dienstag auf Anfrage des TV, dass der Mutterkonzern die Verhandlungen nach vier Runden für gescheitert erklärt hat. Prettl will Kirsch schließen und nennt als zentrale Gründe den "massiven Preisverfall" und den "hohen Wettbewerbsdruck auf den internationalen Märkten".

Die Geschäftsführung habe dem Betriebsrat die Kündigungen für 74 Mitarbeiter der Trierer Traditionsfirma übergeben, sagt Gewerkschaftssekretär Michael Cramer von der IG Metall. Der Betriebsrat ging damit vor Gericht. Noch ist keine Entscheidung gefallen.

Die zur Protestkundgebung umfunktionierte Mittagspause am Werkstor setzt viele Emotionen frei. Nicht wenige Kirsch-Mitarbeiter sind seit Jahrzehnten für den Traditionsbetrieb aktiv. Reiner Diendorf, 62 Jahre alt, arbeitet seit 39 Jahren für die Kirsch GmbH. "Ich habe einige Abteilungen mit aufgebaut", sagt er. "Diese geplante Schließung ist wie ein Stich ins Herz." Friedbert Rausch, auch er ist 62, kam vor 34 Jahren zu Kirch. "Ich bin immer mit Leib und Seele hier dabei gewesen und gehe bis heute gern zur Arbeit", sagt der Diplom-Ingenieur. "Das Betriebsklima war immer toll. Es ist unvorstellbar, dass jetzt einfach so Schluss sein soll."

Einfach so Schluss - wie kam es dazu? Der Gewerkschafter Michael Cramer klagt die Prettl-Gruppe an, die 2008 das Ruder übernommen hatte. "Seit dieser Zeit hatte Kirsch neun Geschäftsführer. Alle Konzepte, die von diesen Herren vorgelegt wurden, hätten zwangsläufig in eine Insolvenz und Schließung geführt", sagt Cramer am Mikro, während die Kirsch-Belegschaft zuhört. Cramer blickt kurz zu Boden, dann sagt er: "Es scheint so, als sei es von Anfang an geplant gewesen, die Firma platt zu machen."

Die Mitarbeiter hängen einige Plakate während eines kurzen Protestmarsches im Umfeld des Firmengeländes in Biewer auf. Danach stempeln sie ihre Karten und gehen wieder an die Arbeit. Die Mittagspause ist vorbei.

Info: Innovative Ideenschmiede
Bernhard Kirsch gründete die seinen Namen tragenden Firma 1945 als Reparaturbetrieb. Das Unternehmen machte sich einen Namen als innovative Ideenschmiede und wurde zu einem erfolgreichen und international bekannten Unternehmen für Stromerzeugungsaggregate. Die Kirsch-Anlagen fanden ihren Einsatz bei Feuerwehren und Katastrophenschutz-Organisationen, beim Militär und anderen Betreibern von Sonderfahrzeugen. Anfang des Jahrtausends setzte Kirsch dann auch auf die Entwicklung von Miniblockheizkraftwerken. Über viele Jahre war die Kirsch GmbH auch Partner und Sponsor des Regionalwettbewerbs "Jugend forscht".
Die Prettl Produktions Holding GmbH hat ihren Hauptsitz im baden-württembergischen Pfullingen am Fuß der Schwäbischen Alb. Der Unternehmensverbund hat 10?000 Mitarbeiter an 35 Standorten in 25 Ländern.Kommentar

Ein schlimmer Verlust

Von Jörg Pistorius

Die Schließung von Kirsch Energy Systems ist ein schlimmer Verlust auf mehreren Ebenen. Zwar sind viele Mitarbeiter der Trierer Firma hervorragend ausgebildete und qualifizierte Spezialisten, die bereits auf dem Radar von interessierten Konkurrenzfirmen gelandet sind, aber für die Älteren wird es wie immer sehr schwer. Das sind die persönlichen Verluste. Auch die Region Trier verliert einen Arbeitgeber, der sich international einen hervorragenden Ruf erarbeitet hat und dessen Produkte erfolgreich waren. Außerdem hat sich die Kirsch GmbH bei "Jugend forscht" engagiert und damit dazu beigetragen, dass es auch in Zukunft kreative Köpfe in der regionalen Arbeitswelt geben wird.
Jetzt sind die Jahres des Erfolgs offensichtlich vorbei, der Eigentümer zieht Kirsch den Stecker. Auch in dieser schweren Phase zeigen die Mitarbeiter den Zusammenhalt, der die Kirsch GmbH zu einem Erfolgsmodell gemacht hat. Die Prettl-Gruppe ist in der Pflicht, alle Chancen zu nutzen, diese Firma zu retten. j.pistorius@volksfreund.de

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