Ein Spielzeug, das Geld frisst

GEROLSTEIN. Jugendliche und Handys sind heute fast untrennbar verbunden. Ein Thema, das immer mehr Familienbetreuer und Schuldnerberater beschäftigt. Verunsicherte Eltern, fordernde Kinder, horrende Kosten als Beginn der Schuldenspirale - alles in einem Boot.

"Telefonschulden sind immer dabei. Das fängt bei 100 Euro an", erklärt Hubert Peifer, Schuldnerberater bei der Caritas in Daun. Einen Extremfall schickte ihm jüngst das Jugendamt Daun. "Eine Jugendliche hatte 10 000 Euro Telefonkosten bei fünf unterschiedlichen Handy-Anbieter auflaufen lassen", berichtet Peifer, der jedes Jahr mehr als 200 Fälle bearbeitet. Er rät Eltern dazu, auf jeden Fall ein Handy mit Karte statt Vertrag für die Sprösslinge anzuschaffen. Nur so könne der Umgang mit den Kosten erlernt werden. Deshalb empfiehlt Peifer für Zeiten finanzieller Engpässe: "Lieber Taschengeld an die Kinder als Mindestraten an Gläubiger zahlen." "Das Handy ist kein Teufelsding"

Für Peifer steht der verantwortungsvolle Umgang im Vordergrund. Verteufeln will er das Handy nicht. Elmar Richter, Leiter der Familienberatungsstelle in Gerolstein, schlägt in die gleiche Kerbe: "Das Handy ist kein Teufelsding, sondern hat viele positive Funktionen." Darunter falle die Kontaktmöglichkeit zu Freunden und Eltern bei Verspätungen oder Notfällen. Richter vergleicht das Handy mit einem Taschenmesser: "Auch das hat mehrere Wirkungen. Es kann sinnvoll oder als bedrohliche Waffe eingesetzt werden." Wichtig sei, mit dem Nachwuchs schon vom Kleinkindesalter an Regeln einzuüben und die Einhaltung zu kontrollieren. Richter: "Nur Kinder, die keine Regeln kennen und Vereinbarungen nicht einhalten, bekommen Probleme." Deshalb ließen sich weder für die Nutzung von Taschenmesser noch vom Handy Altersangaben machen. In der Gerolsteiner Beratungsstelle suchten im Jahr 2002 etwa 300 Jugendliche Rat. Immer häufiger ist das Handy dabei ein Thema. Neulich suchten Eltern Hilfe, weil ihr Kind 700 Euro in einem Monat vertelefoniert hatte. Dies war nur möglich geworden, weil es kein Karten-, sondern ein Vertragshandy war. Der Familienberater meint: "Wenn dann Eltern in ihrer Not einfach das Handy weg nehmen, machen sie alles nur noch schlimmer." Für seine Arbeit hat Richter auch schon positive Erfahrungen mit dem Handy in Kinderhand gemacht. Denn so konnte er per SMS mit Jugendlichen, die ohne das Wissen ihrer Eltern bei ihm Hilfe suchten, Termine vereinbaren. Allerdings: "Über SMS blüht Mobbing regelrecht auf." Schüler ließen sich damit massiv unter Druck setzen. Der Berater berichtet: "Es kommt relativ häufig vor, dass Kinder über SMS aufgefordert werden, am nächsten Tag fünf Euro mitzubringen, ansonsten drohe Prügel." Dieser Druck könne nur gebrochen werden, wenn die Kinder Vertrauen zu Eltern oder Lehrern hätten und die SMS zeigen würden. Auch weiß Richter aus Erfahrung, dass manche Eltern das Handy ihrer Sprösslinge als Kontrollwerkzeug nutzen. "Der große Handy-Boom setzt mit der siebten Klasse ein", beobachtet Heribert Steinmetz, Schulleiter des Sankt-Matthias-Gymnasiums in Gerolstein. "Das geht mit der Pubertät einher, bei der Suche nach dem eigenen Weg." Der 15-jährige Florian meint: "Eigentlich brauche ich kein Handy, aber jeder in meiner Klasse hat eins." Für den Neuntklässer, der seit zweieinhalb Jahren ein Handy besitzt, spielt die Marke keine Rolle. Auch für seine Klassenkameradin Lena nicht. Beide haben ein Karten-Handy und sind selbstverantwortlich für die Kosten zuständig. Florian verrät: "Ich bin zu geizig, um dauernd SMS zu verschicken." Lena hingegen nutzt ihr Handy hauptsächlich für diese Kurzmitteilungen. Direktor Steinmetz bezeichnet das Handy als "geldfressendes Spielzeug". Deshalb sei es nicht verwunderlich, dass die Kinder in die Miesen gerieten.

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