Alle Macht dem Ausnahmezustand

Ganz großes Fest in der Eifel: Rund 85.000 Fans haben von Freitag bis Sonntag bei Rock am Ring mit Metallica, Rage Against the Machine oder den Toten Hosen gefeiert. Insgesamt rockten rund 90 Bands auf drei Bühnen.

(AF) Ein paar Minuten dauert es, dann ist klar: Das wird ein großer Samstag-Abend, einer fürs Langzeitgedächtnis. Metallica-Sänger James Hetfield lacht in die Menge und kündigt an: Rock am Ring, das ist für ihn ein Höhepunkt im Tour-Kalender. Die musikalische Wahl-Heimat, sozusagen. Das können Worthülsen sein. Aber nicht bei Hetfield & Co. Die Kalifornier präsentieren sich bei ihrem vierten Ring-Gastspiel nicht nur bestens gelaunt. Auch musikalisch passt alles zusammen: Präzise, dicht, immens hart und mit einer Setlist, die ohne Durchhänger,auskommt und die auch selten gespielte Klassiker wie "Ride the Lightning" oder "No Remorse" vorsieht - so bedient man die Fans und verschafft sich auch Respekt bei denen, die mit Metal wenig zu tun haben. "Seek and Destroy" gibt es als Abschluss des zweistündigen Konzerts.

Lautes Wochenende ohne Konkurrenten

Noch Wünsche offen? Allenfalls ein halbes Versprechen hielt Metallica nicht ein. Neues Material gab es nicht zu hören. Die Show ist dabei nie überladen - bei "One" gibt es einige imposante Pyro-Effekte, dazu eine Großleinwand im Bühnen-Hintergrund. Mehr braucht es nicht, um alles andere zu überstrahlen.
Rock am Ring setzt dabei den Weg fort, der in den letzten Jahren für immer weiter steigenden Erfolg gesorgt hat. Metal ist ein Schwerpunkt. Wegen seiner loyalen Fans, die im Einzelfall zur Not auch drei Tage ohne Wasser-Kontakt auskommen können. Alle Macht dem Ausnahmezustand. Punkrock, Alternative und zunehmend Elektro sind weitere feste Säulen im Konzept. Dazu kommt die Mischung aus Bewährtem und Neuem, mit Rückkehrern und Stil-Mixern. Besonders im Blick: Rage Against the Machine spielten nach ihrer Reunion zum ersten Mal wieder in Deutschland. Nun sind Rückkehrer oft enttäuschend, ernüchternd: Weil das Feuer aus ist und der Geist erloschen und nur der Kater an die vergangene Feier erinnert. Bei Rage brennt es noch ganz ordentlich. Die Bühnen-Performance stimmt, die Wut ist noch da und die kompromisslose Härte, nur der Sound enttäuscht: teilweise ist es zu leise. Das kann man nicht allzu vielen Ring-Bands vorwerfen.

The Verve kommen in zwei Wochen wieder

Ein zweiter Rückkehrer legte einen fantastischen Endspurt hin: The Verve. Die Briten gastieren am 21. Juni wieder in der Region (Rock-a-Field, Luxemburg).

Rock am Ring steht für mehr als nur ein lautes Wochenende: Für die Befreiung vom Leistungsdruck, eine Auszeit vom Konkurrenz-Denken, bisweilen auch von fast jeglicher Ästhetik. Ein Beispiel: Der Mittzwanziger, der auf dem Ring-Beton ruht, persifliert seinen T-Shirt-Spruch: "Mich gibt es auch nüchtern", steht darauf. Sein Zeigefinger liegt auf dem "nüchtern". Nach drei, vier, fünf Tagen am Ring ist die Leistungsgesellschaft ausgehebelt. Credo: Bleib locker, die Verbissenheit lohnt nicht. Es gibt immer andere, die dicker oder cleverer sind als du. Oder dümmer, hübscher, fitter. Oder nur besoffener. Auch wenn der Himmel vergleichsweise gnädig war: Am Samstag war es trocken, am Sonntag kam gar die Sonne raus.

Das 1985 erstmals ausgetragene Festival ist in der Rock-Szene nicht mehr nur die Speerspitze in Deutschland. Aus halb Europa reisen Ringrocker an. Viele aus den Benelux-Staaten, aber auch aus Frankreich oder England. Ein dänischer Musik-Journalist glaubt, den Grund für die junge Eifel-Liebe zu kennen: "Wir haben das Roskilde-Festival. Aber das ist fast doppelt so teuer. Und die Musik ist viel schlechter."

Wie waren Motörhead, The Offspring, Manic Street Preachers, Hot Chip, Madsen, Babyshambles & Co.? Alles unter volksfreund.de/rockamring

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