Kommentar: Eine gute Wahl - Warum Reinhard Marx in schwieriger Zeit der richtige Mann ist

Atemberaubend, anders kann man die Karriere des ehemaligen Trierer Bischofs Reinhard Marx nicht nennen. Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz scheint da nur der vorläufige Höhepunkt seiner Laufbahn zu sein.

Der gebürtige Westfale ist ohne Frage mittlerweile einer der mächtigsten Männer der katholischen Kirche. Es kann einem schon ein wenig angst und bange werden angesichts der Machtfülle von Reinhard Marx. Münchener Erzbischof, einer von acht Beratern des Papstes in einem Welt-Kardinalsgremium, "Finanzminister" des Vatikans, Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der EU und noch so einiges mehr. Da kommt ganz schön was zusammen an Ämtern und Einflussmöglichkeiten.
Dennoch, die deutschen Bischöfe haben den richtigen Mann an die Spitze gewählt. Dass dies erst im vierten Wahlgang geschah, zeigt aber auch, dass Reinhard Marx in den eigenen Reihen keineswegs unumstritten ist. Denn den Marx gibt es nicht, der Mann hat viele Gesichter. Da gibt es den Genussmenschen, der einer guten Zigarre und einem Glas Wein nicht abgeneigt ist, der immer einen Witz auf Lager hat, der auf Menschen zugehen und sie für sich einnehmen kann, den Plauderer, den Charmeur. Da gibt es den Sozialethiker Marx, der sich intensiv mit der katholischen Soziallehre beschäftigt. Da gibt es aber auch den Reinhard Marx, der zuweilen aneckt, der zupacken kann, der sich Respekt verschafft hat, der einen gesunden Ehrgeiz entwickelt, Klartext redet - rhetorisch meist brillant verpackt -, der aber zuweilen auch poltert, wenn er es für nötig hält. Und der bei aller Jovialität theologisch eher in die konservative Ecke im deutschen Klerus gehört.
Reinhard Marx wird als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz die ganze Bandbreite seiner Fähigkeiten brauchen. Denn er muss den Laden zusammenhalten, Konservative und Liberale unter einen Hut bekommen, die Richtung vorgeben, aber auch vermitteln, führen, Wege aus der Kirchenkrise weisen. Also das erledigen, was man gemeinhin als Herkulesaufgabe bezeichnet.
Denn die Probleme, vor denen die Kirche in Deutschland steht, sind gewaltig. Die Entfremdung der Gläubigen von ihren Hirten und der Institution Kirche war noch nie so groß, ebenso wie das Misstrauen gegenüber dem Klerus. Gleichzeitig gab es aber seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil auch keine vergleichbare Chance mehr, die Gräben zwischen Gläubigen und Kirche wieder deutlich zu verkleinern.
Denn mit einem Papst Franziskus in Rom verbinden sich Hoffnungen auf Aufbruch und Veränderung wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Und da kann die Deutsche Bischofskonferenz mit einem mächtigen und wortgewaltigen Vorsitzenden Reinhard Marx eine wichtige Rolle spielen. Hoffentlich nutzt sie diese einmalige Chance.
d.schwickerath@volksfreund.de

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