Kommentar: Nationale Einheit gegen Kalaschnikows

Paris · Den Kalaschnikows der Angreifer will François Hollande die nationale Einheit entgegensetzen. Zusammenstehen als Waffe gegen die brutale Gewalt der Attentäter, die am Mittwoch beim Überfall auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" zwölf Menschen töteten.

"Vive la république" ist in diesen Zeiten mehr als eine Formel, wie sie Frankreichs Präsident François Hollande am Ende jeder Ansprache verwendet. Sie ist ein inbrünstiger Wunsch angesichts einer Republik, die sich überholt zu haben scheint. Ihre Werte der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit scheinen nicht mehr zu passen in eine Zeit, in der der 2011 wegen Rassismus verurteilte Journalist Eric Zemmour offen die Ausweisung der fünf Millionen Muslime Frankreichs fordert. Und mit seinem Buch "Der französische Selbstmord" einen Bestseller landet.

Den Niedergang Frankreichs erklärt er darin mit den Einwanderern, vor allem den Muslimen. Die Gefahr ist groß, dass Hetzer wie er nun noch mehr Zulauf bekommen.

Auch wenn Politiker vor einer Vermischung warnen, wurden nach dem Attentat schnell Gebetssäle und Moscheen angegriffen. Schon im vergangenen Jahr hatten die islamfeindlichen Angriffe um 30 Prozent zugenommen. Die Zahl der antisemitischen Übergriffe stieg sogar um 50 Prozent. Tausende Juden verlassen Frankreich Richtung Israel. Immer mehr Juden und Muslime scheinen sich in der Republik des Jahres 2015 nicht mehr zu Hause zu fühlen. Dabei hat Frankreich sowohl die größte jüdische als auch die größte muslimische Gemeinde Europas.

Die meisten sind sich darin einig, dass das Attentat vom 7. Januar das Land verändern wird. Vielleicht sogar so stark wie der 11. September die USA. Dass wie in den USA eine Sicherheitsdebatte einsetzt, ist unausweichlich. Sie hat bereits begonnen mit der Forderung der Rechtspopulistin Marine Le Pen nach einer Wiedereinführung der Todesstrafe.

Doch in welche Richtung geht das Land langfristig? Schlägt es den Weg Le Pens ein, die sich gegen die "Masseneinwanderung" wendet, gegen betende Muslime auf französischen Straßen und nach islamischen Riten geschlachtetes Fleisch in Schulen? Die das Kopftuchverbot, das in den Schulen gilt, am liebsten auch auf die Straßen ausweiten würde?

Oder besinnt sich Frankreich endlich auf die Werte der Republik? Fängt es an, die Einwanderer in den Vorstädten zu integrieren, sie auszubilden und ihnen einen Platz in der Gesellschaft zu geben? Wird in den Schulen stärker Rassismus vorgebeugt?

Eines ist klar: Die Mehrheit der Franzosen ist nicht antisemitisch und auch nicht islamfeindlich. Doch sie muss sich endlich positionieren. Sonst könnten Le Pen, Zemmour und Co. eines Tages triumphieren. Die Gefahr ist groß.
nachrichten.red@volksfreund.de

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