Ohne Philosophie

Dass sich die neue Bundesregierung nur drei Wochen nach Amtsantritt gleich in Klausur begeben hat, taugt zwar für Spott, ist aber zuallererst klug.Der Start der Koalition war dank vieler Unklarheiten und Sticheleien überaus holprig.

Natürlich hängt das damit zusammen, dass die Realität in wichtigen Sachfragen die Wahlversprechen von Union und FDP längst überholt hat. Aber richtig ist auch: Union und FDP haben ihren Koalitionsvertrag in Rekordzeit ausgehandelt. Die vielen Prüfaufträge des Papiers sind auch dieser öffentlich gewollten Eile geschuldet. Und ein Teil des neuen Kabinetts hat keinerlei Regierungserfahrung, vielmehr hat man sich vor wenigen Monaten im Parlament noch kräftig attackiert. Der Rollenwechsel ist nicht jedem gelungen.

Angela Merkel hat deshalb gut daran getan, der Ministerriege in Meseberg so etwas wie ein kollektives Verständnis für die Probleme des Landes einzuhauchen. Allein, um die egoistischen Profilierungen auf Kosten des jeweils anderen zu beenden. Ob das dauerhaft gelungen ist, wird sich noch zeigen. Eine Identität, eine eigene schwarz-gelbe Philosophie ist durch mehr Harmonie allerdings noch nicht begründet.

Daran hat es Union und FDP von Anfang an gefehlt. Nun kann man in der Tat fragen, welche Identität denn die Große Koalition gehabt hat? Zumindest anfänglich war es die des großen Wurfs. Dass später daraus nicht nur, aber auch eine Allianz des kleinsten gemeinsamen Nenners geworden ist, steht auf einem anderen Blatt. Schwarz-Gelb hingegen hat seit den Koalitionsverhandlungen nie den Eindruck hinterlassen, dass etwas Neues startet, ein Aufbruch vielleicht, mit dem die Krisenlethargie im Land verscheucht wird. Weder politisch noch emotional ist es Union und FDP gelungen, eine Bindung zu den Bürgern herzustellen. Im Gegenteil. Wachstum und Steuern runter, der schnöde Pragmatismus auf Pump ist oberste politische Maxime geworden. In Zeiten der größten Finanz- und Wirtschaftskrise erscheint das selbst der eigenen Anhängerschaft inzwischen zu eindimensional und damit einfältig.

Daran krankt Schwarz-Gelb. Die Chance, die Klausur in Meseberg als Signal für ein Projekt zu verstehen, ist nicht genutzt worden. Auf bedeutenden Feldern hat sich Schwarz-Gelb lieber wieder vor Festlegungen gedrückt. Das nährt den Verdacht, dass es womöglich an den beiden Führungsfiguren liegen könnte, warum Schwarz-Gelb kein Aufbruch nach außen gelingen will. Von Merkel weiß man nicht, wofür ihre Kanzlerschaft in den nächsten vier Jahren eigentlich stehen soll. Und Westerwelle ist immer noch dabei, in seiner neuen Rolle tapsig Tritt zu fassen. Gut möglich also, dass der gruppendynamische Ausflug nicht der Letzte gewesen ist.

nachrichten.red@volksfreund.de

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