Russlands Chance

Auf der Skala für Demokratie und Menschenrechte nimmt Russland nur einen mittleren Platz ein. Aber deutlich vor dem Ein-Parteien-Staat China. Formal eine Demokratie ist es de facto ein oligarchisches System.

Mit wenig Pressefreiheit, mit massiver Korruption und mit der Konzentration des Wirtschaftsgeschehens auf große Industrien. Im Falle Russlands auf Gas. Im Unterschied zu China aber, und das muss die europäische Sicht auf die am Mittwoch stattfindende Amtsübergabe im Kreml sein, ist doch eine Entwicklung zum Besseren erkennbar. Das gilt für die Innenpolitik. Der reibungslose Machtwechsel von Wladimir Putin auf Dmitri Medwedew an sich ist schon ein erstaunlicher Vorgang. Putin bleibt zwar als künftiger Ministerpräsident und Vorsitzender der Partei Geeintes Russland stark. Doch die Wahl Medwedews erfolgte weitgehend frei, jedenfalls für russische Verhältnisse. Das gibt ihm Legitimation, wenn es zum Konflikt mit Putin kommen sollte. Die Opposition ist nicht nur unterdrückt, sie ist auch zersplittert und bislang unfähig, die Unzufriedenheit im Land zu kanalisieren. Hinsichtlich demokratischer Fortschritte bietet der Stabwechsel zwei Chancen. Zum einen ist Medwedew der erste russische Präsident, der nicht aus den Geheimdiensten kommt. Er wurde nach der russischen Wende sozialisiert und ist eher ein westlich denkender Ökonom. Zum anderen hat er sich jene Themen auf die Agenda gesetzt, die nach Unterstützung geradezu rufen. Das sind die Bekämpfung der Korruption, der Aufbau einer Mittelschicht und die Verbesserung der Sozialsysteme. Medwedew braucht dafür die Hilfe der EU mit ihren Märkten. Deutlich konstruktiver als China verhält sich Russland auch in der internationalen Politik. Während Peking ungeniert für Rohstoff-Interessen die Regime in Simbabwe oder Sudan unterstützt, sucht Moskau die Zusammenarbeit mit dem Westen. Aber auf gleicher Augenhöhe. Im Nahost-Quartett, beim Iran, im Klimaschutz und bei den G8 hat sich das Land schon unter Putin kooperativ verhalten. Medwedew wird dies fortsetzen. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier wird den neuen Präsidenten als einer der ersten Gäste besuchen. Er sollte Medwedew signalisieren, dass der Westen daran glaubt, dass Russland sich weiter demokratisieren will. Bis zum Beweis des Gegenteils. nachrichten.red@volksfreund.de

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