Schwarz-gelbe Mystik

Aufgrund der Steuerschätzung wird die schwarz-gelbe Bundesregierung nicht neu über ihre Senkungspläne nachdenken. Warum auch? Die Ausgangslage für Union und FDP hat sich ja seit gestern nicht wesentlich verändert.

In diesen Schulden-Zeiten sind drei Milliarden Euro weniger für Bund, Länder und Gemeinden schlichtweg "Peanuts". Zumindest dann, wenn man Steuersenkungen wie ein Wachstums-Mantra, wie einen mystischen Energiezufluss für den Bundeshaushalt propagiert. Nicht jeder glaubt daran, wie das nun mal so ist bei Spirituellem. Vor allem nicht die Länder. Die Schlacht im Bundesrat hat die Koalition daher noch nicht gewonnen. Seit der Schätzung von Donnerstag erst recht nicht. Und von Bundesfinanzminister Schäuble weiß man, dass er seine politische Karriere nicht als Schuldenpapst beenden will. Schon bremst er die schwarz-gelben Geldausgeber mit Blick auf den kommenden Bundeshaushalt. Der von SPD-Vorgänger Steinbrück geplante Schuldenrekord von 86 Milliarden Euro soll auch bitteschön seiner bleiben. Vernünftig ist das. Zumindest Schäuble weiß: Krise hin oder her, finanzpolitische Abenteuer und Risiken müssen ihre Grenzen haben. So verwundert es nicht, dass er die im Wahlkampf groß angekündigte Steuerstrukturreform gerne auf die lange Bank schieben möchte, um noch mehr Einnahmeausfälle zu verhindern. Ob das allerdings genauso vernünftig ist, sei dahingestellt. Seit Jahrzehnten wird den Bürgern mehr Steuergerechtigkeit und Einfachheit versprochen - politisch überfällig ist die Umsetzung allemal. Der neuen Regierung dürfte bei der Steuerschätzung auch gelegen kommen, dass wegen der Konjunkturschwäche nicht der Bund, sondern die Länder und Gemeinden die Leidtragenden der geringeren Einnahmen sind. Nun kann man sagen, das ist eine Milchmädchenrechnung, weil trotz Föderalismus das Finanzgeflecht so verwoben ist, dass die leere Kasse des einen auch immer die des anderen belastet. Das stimmt. Aber: Der Bund hat damit einen kleinen finanziellen Trumpf in der Hand. Der wird ihm helfen, wenn es ans Geschacher geht, wie für Länder und Kommunen die Ausfälle wegen der Steuersenkungen kompensiert werden können. Denn nicht vergessen werden darf: Die Gemeinden leiden bereits besonders, da deren Finanzen viel mehr von den konjunktursensiblen Unternehmenssteuern abhängig sind. Steuersenkungen bedeuten dann womöglich auch schwere Einschnitte in die kommunale Infrastruktur. Schulen, Universitäten, Kindergärten, Schwimmbäder oder Büchereien haben ihren Preis. Den zu bezahlen, dafür benötigen sie dringend Hilfe.

Um eine Frage wird sich die Koalition allerdings nicht mehr länger drücken können, zumal die Schätzer perspektivisch keine rosigen Einnahmezeiten vorhergesagt haben: Die Konsolidierung des Haushaltes wird zwar brav reklamiert, aber in der politischen Praxis herrscht Stillstand. Der Koalitionsvertrag mit seinen Dutzenden Prüfaufträgen und Versprechungen gibt keinen Hinweis darauf, dass die Koalition neben Wachstumshörigkeit auch Spardruck empfindet.

nachrichten.red@volksfreund.de

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