Das Herz der Stadt

Zum Artikel "Einzelhandel: Kampf gegen leere Läden" (TV vom 22. August):

Seit Jahrzehnten weise ich in Schreiben an maßgebliche Persönlichkeiten und mit Leserbriefen auf die Gefahr der Verödung unserer Innenstädte hin. Durch die verfehlte Politik bluten unsere Innenstädte aus. Obwohl diese fatale Entwicklung immer deutlicher sichtbar wird und leerstehende Ladenlokale das Stadtbild verschandeln, wird kaum gebremst, eher noch beschleunigt.

Neue Factory Outlet Stores (FOS) und Designer Outlet Center (DOC) werden eröffnet oder vergrößert. Wertheim Village klotzt mit pseudofränkischen Fachwerk-Idyllen aus der Retorte. Zweibrücken wird erweitert. Eine weitere Eröffnung ist bei Montabaur vorgesehen.

Unter diesen Umständen ist jede scheinbar erschrockene Betroffenheit über die hier beklagte Beeinträchtigung der Vielfalt und Urbanität unserer Innenstädte nicht ehrlich, sondern zynisch. Der Erhalt lebendiger Innenstädte mit einem breiten Einzelhandelsangebot sollte für alle Politiker ein vorrangiges Ziel der Raumordnung sein.

Bereits 1976 hat Klaus Töpfer darauf hingewiesen, dass durch eine zunehmende Verödung der Innenstädte auch deren Sicherheit in Gefahr ist. Gerade eine bessere Einzelhandelsstruktur trage dazu bei, dass man auch abends in den Stadtzentren angstfreier leben kann.

Die von Generationen geschaffene deutsche Stadtkultur wird dem Verfall preisgegeben und dem Bürger seine Stadt entfremdet. Erhalt und Pflege unserer Städte sind eine Frage der Selbstachtung und des Glaubens an Werte unserer Kultur.

Der bekannte englische Architekt Sir Richard Rogers schreibt dazu: "Noch gibt es eine Lobby für die Betreiber riesiger Einkaufszentren, obwohl diese der Stadt das Herz herausreißen."

Günther Hees, Bernkastel-Kues

Einzelhandel

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