Gesellschaft

Zur Berichterstattung über die Flüchtlingskrise, insbesondere zu den Attacken von Rechtsextremisten im sächsischen Heidenau:

Mölln, Rostock-Lichtenhagen, das ist jetzt mehr als 20 Jahre her. Brennende Häuser, Tote und eine klatschende Menge ... Und heute? Fast täglich Anschläge auf Unterkünfte, Erstaufnahmeeinrichtungen, Aufmärsche grölender Neonazis und wieder "gute Bürger", die klatschen, in Heidenau. Ja, die große Zahl zu uns flüchtender Menschen ist eine riesige Herausforderung für die Städte und Kommunen, und ja, es wurden Fehler gemacht von der Politik, zu spät reagiert, die Bürger zu oft nicht rechtzeitig informiert, mag sein. Als jemand, der seit 35 Jahren in einer entwicklungspolitischen Gruppe aktiv ist, sehe ich auch einen Zusammenhang zwischen Fluchtursachen und unseren verheerenden Rüstungsexporten. Und ja, in einer Demokratie darf man seine Meinung kontrovers äußern, darf Ängste benennen und die Flüchtlingsproblematik anders sehen als ich. In einem Punkt aber darf es in einem Rechtsstaat null Differenz geben, dann, wenn Menschen angegriffen werden, wenn Mordanschläge auf Menschen, die Schlimmes hinter sich haben, verübt werden. Hier gibt es keine Rechtfertigung, darf es keine "man muss ja auch sehen ..." oder ähnliche Verständnisheucheleien geben. Und ich verstehe nicht, dass es in Heidenau nur eine Festnahme und 65 Platzverweise gab. Menschen, die Brandsätze werfen, Menschen, die Flüchtlingen mit ihrem Klarnamen im Netz und auf der Straße mit übelsten Hetzparolen Angst und Schrecken einjagen, die Tote in Kauf nehmen und darüber jubeln und damit Straftaten begehen, denen muss auch die Justiz und die Polizei so begegnen, wie das Gesetz es vorsieht. Und ich bin sehr dafür, auch die jubelnden, klatschenden Menschenmengen nicht zu verharmlosen. "Was wären die Brandstifter ohne die Biedermänner?", dieser Satz hängt seit Mölln in meinem Büro, und es ist zum Wegschämen, dass nicht mehr Menschen dagegen aufstehen und deutlich Nein sagen. Es gibt zum Glück ein großes Engagement vieler Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, es ist unersetzlich und anders als vor 20 Jahren. Es darf uns aber nicht abhalten, den braunen Rattenfängern Paroli zu bieten, keinen Millimeter für braunen Hass, null Toleranz für Mordgesellen. Es liegt an uns allen, klar und deutlich zu zeigen, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Eine menschliche Gesellschaft braucht engagierte und couragierte Bürger, im Kleinen und Großen, aber eben auch in dieser gesamtgesellschaftlichen Frage. Lorenz Müller, Vorstand Aktion 3%, Föhren So, so nun wird unsere Kanzlerin als Volksverräterin bezeichnet. Was denken sich diese sogenannten Bürger denn dort in Heidenau und den anderen Orten, in denen der Mob anscheinend das Sagen hat? Wo sind denn die bei solchen Gelegenheiten sonst sofort präsenten Gutmenschen aus der linken Szene? Fade Dementis und Beschwichtigungen und sonst nichts. Die Bezeichnung "Volksverräterin" stammt ja wohl aus einer Zeit, in der das "dunkle" Deutschland herrschte. Diese Bezeichnung jetzt zu benutzen bedeutet, dass diese Leute aus der Vergangenheit nichts, aber auch gar nichts gelernt haben. Anscheinend haben sie immer noch nicht begriffen, dass wir ein weltoffenes Land sind, dass wir - unserem Grundgesetz verpflichtet - diese Menschen aufnehmen werden, auch wenn es manchen nicht passt. Sie sind nicht Deutschland, sondern eine kleine, ekelhafte Gruppierung, für die leider auch unsere Gesetze gelten. Sollen sie doch selbst die Koffer packen, wenn es ihnen hier nicht gefällt! Josef Käser, Kradenbach Auch wenn wir nicht wissen, wohin die 71 Flüchtlinge wollten, die tot in einem Lastwagen auf dem Randstreifen einer österreichischen Autobahn entdeckt wurden, bleibt doch die Vermutung, dass NPD, Pegida und AfD ihrer "klammheimlichen Freude" freien Lauf lassen werden. Weitere Meldungen vom selben Tag: der Anschlag in Hameln, Niedersachsen: Ein Brandsatz wurde durch ein Fenster in eine bewohnte Asylbewerberunterkunft geworfen; und auf dem Weg nach Europa ertrinken Hunderte Flüchtlinge vor der libyschen Küste. Erinnern wir uns: Wie viele Flüchtlinge wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland aufgenommen, wie viele Übersiedler und Aussiedler nach der Wende ab 1989? Reiches Land Deutschland. Armes Deutschland. Helmut Adrian, Gerolstein Warum haben Deutschland und die EU die Assad-Gewalt gegen die Bevölkerung über Jahre hinweg zugelassen? Ständig greifen wir (Deutschland) irgendwo im Weltgeschehen ein, wenn großes Unrecht geschieht. Warum nicht in Syrien? Wohl aus "diplomatischen Auflagen" zu Russland, dem Assad-Freund? Russland, das in der Ukraine Krieg führt? Es ist so traurig, ansehen zu müssen, wie ein ganzes Volk entwurzelt und vertrieben wird, um dann auf der Flucht noch mehr Leid zu erfahren. Und um nie wieder richtig glücklich werden zu können, weil man doch ewig die Heimat vermisst. Warum hat das große starke Deutschland im Verbund mit der EU und den USA nicht schon viel früher eingegriffen (wie in anderen Konfliktgebieten ständig)? Hat nur zugesehen und berichtet, wie diese Menschen in ihrem Leid fliehen müssen zu Tausenden und Abertausenden? Tausende starben bereits, vergast, gelyncht und gemeuchelt, darunter Kinder? Und ist nun überfordert von einer Völkerwanderung? Denn es ist eine Völkervertreibung und daraus resultierende Völkerwanderung, auch wenn man das in politischen Kreisen nicht so benennen darf! Annette Müller, Konz

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