Kultur

Zum Trierer Stadttheater:

Die neue Theatersaison ist eröffnet, aber ich befürchte, dass es nach fast 60 Jahren mein letztes Abo sein wird. Ich bin nicht mehr bereit, mit mehr als 200 Euro im Jahr den Therapieersatz für profilneurotische Regisseure zu finanzieren. Man kann mich ruhig als konservativ beschimpfen, aber für mich sind große Bühnenwerke auch Zeitzeugnisse. Die Komponisten und Librettisten haben aus ihrer Zeit heraus ihre Werke geschaffen. So bleiben sie auch stimmig. Aber heute muss ja alles geändert werden. Der "Wildschütz" letztes Jahr war schon grenzwertig, aber die "Carmen" überschreitet für mich diese Grenze eindeutig. Wenn ich schon Fußball und rohe Gewalt sehen muss, brauche ich nur die täglich verfügbaren Medien zu nutzen und habe alles im Überfluss. Wenn mir von einem Meisterwerk wie "Carmen" nur noch die Musik bleibt, brauche ich nicht ins Theater zu gehen. Dann habe ich es abends auf dem Sofa mit einem Glas Rotwein vor dem CD-Player gemütlicher - und billiger. Von dem gesparten Geld gehe ich lieber in ein Museum oder eine Galerie und schaue mir Gemälde und Bildhauerarbeiten an, denn bei denen käme niemand auf die Idee, sie der Neuzeit anzupassen. Sie werden (noch) als bleibende Meisterwerke der jeweiligen Epoche wertgeschätzt. Nur Bühnenwerke dürfen ungestraft geändert, verfremdet, gekürzt und verballhornt werden. Ohne mich! Ingeborg Weber, Trier

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