Kultur

Zum Artikel "Kunstskandal an der Mosel: Vaginen gehen wohl zu weit" (TV vom 17. September):

Zum Teil geleerte Wände begrüßten am Sonntag in der Seniorenakademie die Besucher der Ausstellung von Bildern der Künstlerin Mana Binz. "Man kann diese Bilder zeigen, aber nicht in diesem Hause", das sagten mir zuvor diejenigen, die die Bilder störten. "Nicht in diesem Hause" heißt wohl, "nicht in einem von der CTT geführten Haus". Dann blickt doch mal in die Bibel, auf die erste Seite, am Ende des Schöpfungberichts, da steht, "siehe, es war alles gut". Und die Künstlerin hat doch nur einen Aspekt der Schöpfung mit der ihr eigenen Auffassung dargestellt. Besonders beeindruckend nebenbei, dass einer der vor Ort arbeitenden Angestellten der CTT entschieden hat, welche Bilder weg müssen und welche hängen bleiben "dürfen". CTT, ist das wirklich der angemessene Respekt vor einer künstlerischen Leistung? "Ich missbillige Ihre Meinung, aber ich kämpfe bis zum Tode, dass Sie diese Meinung äußern dürfen", soll von Voltaire stammen; den mag die CTT sicher auch nicht, aber manchmal könnte man von ihm doch noch etwas lernen. Am Ende der Vernissage - unter dieser Überschrift lief die Veranstaltung unverdrossen bis zum Schluss - wurden die Besucher aufgefordert, über die Bilder zu diskutieren und auch zu streiten. Über Bilder, die nicht da waren. Bernkastel, du bist liebenswert, aber einmalig! Gerhard Lenssen, Bernkastel-Kues "Vaginen gehen wohl zu weit", was für ein Titel. Was soll das für ein Kunstskandal sein? Sind wir so weit, dass ein Mensch, der sich intensiv mit einem Thema wie Weiblichkeit auseinandersetzt, nicht das zentrale weibliche Geschlechtsorgan darstellen kann? Der Mensch sucht nach dem Paradies, dem ewigen Glück, das hat er immer getan. Jede Ursprungsgeschichte beginnt mit dem urtümlichsten, dem Zustand absoluten Glücks, in dem kein Mensch zu verstecken braucht, was er ist: eine Frau oder ein Mann. Keine Kleidung, die uns hemmt. Keine Hüllen, die verbergen, wie die Realität nun einmal aussieht. Manch einer mag nun mit Unzucht argumentieren, mancher mit gesellschaftlichen Tabus. Ich aber frage mich: Wir wollen Sexismus abschaffen, wir wollen eine transparentere Gesellschaft, wir wollen Glück für jedermann. Doch wie zur Hölle sollen wir das alles in die Gesellschaft bringen, wenn die Gesellschaft noch immer so sehr im traditionellen Weltempfinden vergangener Jahrhunderte gefangen ist? Eine Tatsache, die mich immer gestört hat und mittlerweile noch mehr stört, ist, dass viele nicht zu begreifen scheinen, dass solche Ziele immer an Bedingungen gebunden sind und im Kleinen beginnen. Es geht um Mentalität. Und wenn die Mentalität ist, dass die Frau sich verhüllen muss, der Mann hingegen dargestellt werden kann, wie er will - vielleicht sogar in griechischer "heroischer" Nacktheit positiv konnotiert. Wo ist da die Transparenz, wo die Aufgeklärtheit und unsexistische Gesellschaft im kleinen Leben des kleinen Mannes an der kleinen Mosel? Wenn es schon in solchem Umfang nicht gelingt, eine neue Mentalität zu installieren, wie soll es dann in großem, internationalen Rahmen gelingen? Wenn Deutschland sich als Mitgestalter der Zukunft und als "Hochkultur" der Postmoderne begreift, dann frage ich mich, wie es sein kann, dass solche Fragen uns 50 Jahre nach der sexuellen Revolution noch immer umtreiben können? Frau Binz hat alles Recht, zumal sie selbst eine Frau ist, Vaginen zu malen und auszustellen. Der Betrachter alleine muss sich im Angesicht der Bilder fragen, findet er sie schön oder nicht. Denn um Schönheit geht es hier, nicht um Wertvorstellungen und gesellschaftliche Standards. Ich persönlich finde Vaginen ästhetischer als den männlichen Penis. Aber noch sind Deutsche im Ausland wohl nicht zu Unrecht als prüde verschrien … Marius Rositzka, Freiburg

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort