Ungefährliche Spielwiese

Ich weiß nicht, ob ich den Vertrauensvorschuss - warum gerade jetzt? - bewundern, oder die Blauäugigkeit belächeln oder ob ich mich sogar ärgern soll angesichts der offenkundigen Geringschätzung der Demokratie ausgerechnet von Parteien, die ich bislang eher als Vorreiter für Demokratie angesehen habe.

Geringschätzung der nun so auffällig Umworbenen(?) ist hingegen nichts Neues, wie diese oder jene Entgleisung so mancher Politiker erwiesen hatte (zum Beispiel die Weckmann-Wegwerf-Aktion eines "hochrangigen" Politikers). Und Selbstdarstellungsdrang des einen oder der anderen aus der politischen Klasse ist ebenfalls nichts Unbekanntes. Ohne Zweifel gibt es Jugendliche mit bereits reifem politischen Bewusstsein, die sich von Politiker-Arroganz, Ignoranz und Profilsucht nicht abschrecken lassen. Ich befürchte aber, dass die große Mehrheit eher mit sich selber und mit dem Eintritt in die Berufswelt beschäftigt sein wird. Diese jungen Leute werden durch Fehlverhalten von Politikern weder abgeschreckt noch aufgeregt und durch die interessante Offerte auch nicht angeregt. Sie werden im Berufsleben - so sie denn hinein kommen - mit der eher irritierenden Erfahrung konfrontiert, dass politische Freiheit und Wirtschaftsfreiheit zwei sehr unterschiedliche Felder sind, allerdings mit ähnlichen Verhaltensmustern, nämlich Konkurrenz und Eigenwerbung. Auf den zentralen, lebensbestimmenden Faktor "Wirtschaft" hat die Politik nach meiner Einschätzung seit zwanzig Jahren immer weniger Einfluss. So gesehen ist es vielleicht doch ein erfahrungsgetragener Realismus, der die Wahl-Idee geboren und als tragfähig erkannt hat. Demokratie wirkt so wie eine ungefährliche Spielwiese und Erprobungsstelle für eine Minderheit unter den Jugendlichen, die wohl kaum oder gar nicht als Vorbild-Avantgarde für ihre politisch(!) abstinenten Altergenossen und -genossinnen dienen werden. Wie auch immer, im doppelten Sinne lässt sich sagen: business as usual. Helmut Michael Wilmes, Ralingen-Wintersdorf

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