Wirtschaft

Zur Berichterstattung über das geplante Freihandelsabkommen (TV vom 27. März):

Präsident Obamas Erklärung, er "habe nicht die Absicht, ein Gesetz zu unterzeichnen, das den Verbraucherschutz oder den Umweltschutz verringert", erinnert zufällig oder nicht zufällig an Walter Ulbrichts kühne Behauptung von 1961: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen." Tatsächlich wollte Ulbricht keine Mauer bauen, andere einflussreiche Politiker der DDR und der Sowjetunion aber schon. Subjektiv hat Herr Obama nicht die Unwahrheit gesagt, denn aus US-amerikanischer Sicht sind Chlorhähnchen, Hormonfleisch, genmanipuliertes Obst und Gemüse oder Fracking-Gas völlig okay. Ist das mit der EU-Kommission ausgehandelte Freihandelsabkommen (TTIP) erst einmal in Kraft, dürfen US-Firmen nicht nur solche Produkte ungehindert in die EU exportieren, sondern sie können auch verlangen, hier nach US-Normen produzieren zu dürfen - was deutsche und EU-Firmen dann für sich selbst sicher auch beanspruchen werden. Und natürlich könnten zum Beispiel US-Wasserkonzerne gegen kommunale Wasserwerke klagen und auf Privatisierung zu ihren Gunsten. Ein anderer Punkt, den Obama nicht erwähnt hat, sind Arbeitnehmerrechte und Sozialstandards: Bekanntlich gibt es in den USA weder Betriebsräte noch Kündigungsschutz und auch keine allgemeine gesetzliche Sozialversicherung. Das Freihandelsabkommen würde es US-Firmen ermöglichen, gegen die Anwendung der entsprechenden Gesetze auf ihre Niederlassungen in der EU zu klagen. Nicht ohne Grund wird das Freihandelsabkommen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Parlamente, aber unter bevorzugter Einbeziehung von Konzernvertretern verhandelt. Das EU-Parlament und die nationalen Parlamente sollen den fertigen Text dann ohne jede Änderungsmöglichkeit nur noch pauschal annehmen oder ablehnen können. Die Staaten sollen dem Diktat der US- und EU-Konzerne unterworfen werden. Wollen wir das wirklich? Robert Seidenath, Gusterath

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