Wunderbar schwierige Demokratie

Zu Irlands Nein zum Lissabon-Vertrag der Europäischen Union meint dieser Leser:

Demokratie ist eine wunderbare Sache, wenn sie dazu dient, ökonomische und/oder politische Interessen unter anderem auch einer Minderheit, manchmal auch Sachnotwendigkeiten zu legitimieren. Sie ist umso besser, je gebildeter, informierter und interessierter die Wählerinnen und Wähler sind. Es dürfte einleuchten, dass es auf den drei Feldern Bildung, Informiertheit und Interesse durchaus mehr oder minder hohe Qualitätslevels, aber eben auch Defizite gibt. Und das macht Demokratie wiederum schwierig, besonders dann, wenn Emotionen und mitunter auch diffuse Befindlichkeiten einer Gruppe gegen Systemrationalität oder die Interessen einer anderen Gruppe stehen.Im Allgemeinen gelingt es über die Massenmedien, diese Emotionen zu lenken, um nicht zu sagen: zu manipulieren, manchmal aber auch nicht. Im Klartext: Über 50 Prozent der irischen Wählerinnen und Wähler, die gegen Lissabon gestimmt haben, sind - Iren. Und diese sind zu über 95 Prozent Iren. Die irische Bevölkerung ist folglich ausgesprochen homogen und entsprechend traditionalistisch, das heißt keltisch und katholisch. Hinzu kommt eine historisch bedingte Furcht vor fremden Einflüssen und fremder Macht (Jahrhunderte lange Unterdrückung durch England). Die Fianna Fáil Partei ist nicht nur die am längsten mit deutlicher Mehrheit im irischen Parlament vertretene Partei, sie ist vor allem national-orientiert und Europa-skeptisch. Auf dem genannten Hintergrund ist das nur zu verständlich; daher auch die verständliche Ablehnung des Vertrages. Es steht außerdem zu befürchten, dass ein Großteil der irischen Ablehner und Ablehnerinnen den Vertrag entweder gar nicht oder nur oberflächlich gelesen hat. Wie gesagt: Demokratie ist eine wunderbare Sache, aber manchmal eben auch schwierig. Helmut Michael Wilmes, Ralingen europa

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