Populismus und andere Dummheiten

Wie halten wir es mit der Religion? Nach der Volksabstimmung in der Schweiz, in der die Bürger mehrheitlich gegen den Neubau von Minaretten votierten, geht ein Unbehagen durch Europa.

Die öffentlichen Eliten beeilen sich, die Entscheidung der Alpenländler scharf zu kritisieren, wohl wissend, dass eine Abstimmung nach Schweizer Vorbild im eigenen Land wahrscheinlich ein ähnliches Ergebnis gebracht hätte. Reflexartig auch die Reaktion des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, der gleich die Faschismuskeule schwingt, von Verbrechen gegen die Menschlichkeit spricht und vorsorglich ganz Europa unter Generalverdacht stellt.

In der bereits seit Tagen anhaltenden öffentlichen Debatte wird vor allem eines sichtbar. Es geht, wie so oft beim Thema Islam, nicht um Kommunikation, also um fairen und zielführenden Austausch, sondern um Angriff, Verteidigung, Gegenattacke. Wobei die Rollen austauschbar sind und Emotionen Argumente ersetzen.

Die Behauptung, das Minarettverbot richte sich ja nur gegen weitere Bauwerke dieser Art und nicht gegen die Religionsfreiheit, ist natürlich eine Farce. Sehr wohl ist der Islam gemeint, unter anderem ausgelöst durch die von Rechtspopulisten geschürte Angst vor dessen allumfassender Ausbreitung in der westlichen Hemisphäre. Da werden auch gerne mal Islam und Islamismus zusammengewürfelt, da werden politische und gesellschaftliche Probleme mit vermeintlich religiösen Grundsätzen vermengt.

Leider tragen auch manche Moslems zu diesem Zerrbild bei, indem sie in ihrem Gastland auf vorgeblich aus dem Koran abgeleitete Traditionen pochen, die sie in ihren Herkunftsländern gar nicht leben dürften, Traditionen, die hier wie da illegal sind.

Aber lassen wir doch einfach Zahlen sprechen: In Deutschland beispielsweise gehören über 60 Prozent der Bevölkerung den beiden christlichen Kirchen an, während sich gerade mal knapp fünf Prozent zum islamischen Glauben bekennen. Hier das Gespenst einer Islamisierung heraufbeschwören zu wollen, ist genauso lächerlich und populistisch, wie Europa in die Rassismus-Ecke zu stellen. Je nach Standpunkt, Herkunft und Betrachtungsweise finden sich für beide Seiten Mehrheiten. Aber Mehrheiten allein sagen nicht automatisch etwas über inhaltliche oder moralische Legitimität aus. Man könnte es auch mit Bertolt Brecht, dem einflussreichsten deutschen Dramatiker und Lyriker des vorigen Jahrhunderts, sagen: Aber darum muss man die Dummheit ja ausrotten, weil sie dumm macht, die ihr begegnen (aus ,,Geschichten von Herrn Keuner").

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