Standpunkt

Noch ist es nur eine Randnotiz. Aber in den kommenden Monaten, wenn der Bundestagswahlkampf Fahrt aufnimmt und Koalitionsmöglichkeiten durchdekliniert werden, dürfte der Vorschlag bislang dreier CDU-Politiker, Bündnisse mit der AfD anzustreben, häufiger zu hören sein.

Was die Unionsspitzen in Bund und Ländern unisono kategorisch ablehnen, hat diese Woche der sächsische Europaabgeordnete Hermann Winkler gefordert: Mitte-Rechts-Allianzen - und das möglichst rasch. In Zeiten, in denen Regierungsbildungen immer schwieriger werden, die AfD in strammem Tempo satt zweistellig in die Landtage einzieht und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in den nächsten Bundestag, sind solche machtstrategischen Überlegungen nicht wirklich überraschend.

Und manch einer, der heute noch nicht darüber spricht, mag damit liebäugeln. Dabei spielt es nicht einmal eine Rolle, aus welcher Partei Bündnisanregungen mit den Rechtspopulisten kommen. Die AfD saugt aus allen politischen Richtungen Wähler ab. Das gelingt ihr mit zunehmend scharfen Provokationen und immer deutlicherer Abgrenzung von den etablierten Parteien. Und je drastischer das Vokabular, desto größer der Applaus, vor allem vom wachsenden ausländerfeindlichen Flügel der selbst ernannten Anti-Islam-Partei.

Jüngstes Beispiel, von dem die FAZ in ihrer Online-Ausgabe berichtet, ist eine Rede, die die Bundesvorsitzende Frauke Petry zum Tag der Deutschen Einheit in Stuttgart hielt. Dort schwadronierte sie über Flüchtlinge als das ,,Lumpenproletariat der afro-arabischen Welt". Gleichzeitig verteidigten ihre beiden Vize Beatrix von Storch und Alexander Gauland Entgleisungen von Pegida-Anhängern bei der zentralen Einheitsfeier in Dresden, in der die Kanzlerin als ,,Fotze" und ,,Stinktier", der Bundespräsident und weitere Repräsentanten als ,,Drecks pack" und nicht zum ersten Mal als ,,Vaterlandsverräter" beschimpft wurden, als nicht schön, aber nachvollziehbar.

Nein, da ist kein Unterschied in Gesinnung und Ausdruck. Und wo gäbe es sie, die Schnittmengen zwischen CDU und AfD? Obwohl Angela Merkel wegen ihrer Flüchtlingspolitik ein Auf und Ab an Zustimmung und Ablehnung erfährt, befürworteten immerhin 81 Prozent der CDU- und 71 Prozent der CSU-Anhänger im Deutschlandtrend von Anfang September eine erneute Kanzlerkandidatur Merkels. Zu dem Zeitpunkt war sie - wohlgemerkt - gerade im Umfragetal.

Mittlerweile ist sie auch in der Gesamtbevölkerung wieder im Aufwind. Die AfD dagegen hat Merkel zu ihrem größten Feindbild erklärt. Die Union ist pro-europäisch, die AfD ist als anti-europäische Partei gegründet worden. Die Union distanziert sich von Rechtsextremismus, die AfD umarmt Sympathisanten aus genau diesem Spektrum, was beispielsweise die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am deutlichsten gezeigt hat. Im September hatte sie die NPD aus dem Parlament gekegelt und deren Stimmen eingesammelt. Zudem ist völlig offen, wohin sich die AfD entwickeln wird. Nicht gemäßigte Auftritte brachten ihr bisher Aufmerksamkeit und Erfolg, sondern Grenzüberschreitungen. Warum also sollte sie sich zügeln?

,,Das Geschäftsmodell dieser Leute ist es, den Menschen Angst zu machen. Darauf sollten wir uns nicht einmal im Ansatz einlassen", kommentierte der baden-württembergische CDU-Chef Thomas Strobl Petris Einheitsrede. Das hört sich nun wirklich ganz und gar nicht nach Koalitionsbestrebung an. Von dieser klaren Linie gegenüber der AfD - zumindest der AfD heutigen Zuschnitts - abzuweichen, hieße Grundüberzeugungen, die im christlich-jüdischen Werteverständnis wurzeln, über Bord zu werfen und so den eigenen Markenkern zu zerstören. Das sollten sich auch jene Hinterbänkler in Unionskreisen hinter die Ohren schreiben, die wahrscheinlich öfter mal den Geschichtsunterricht geschwänzt haben.

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