Wenn Andy Warhol ins Kloster geht

Stavelot · Etwas Besonderes oder beliebig? Die Meinungen zur Kunst von Andy Warhol und zu dem, was in seiner „Factory“ entstand, gehen weit auseinander. Nun widmet die alte Abtei in Stavelot dem amerikanischen Pop-Art-Papst eine Sonderausstellung.

Wenn Andy Warhol ins Kloster geht
Foto: Sarah-Lena Gombert

In den belgischen Ardennen, unweit der berühmten Rennstrecke von Spa Francorchamps, liegt das Städtchen Stavelot. Dass der Motorsport für die Menschen in dieser Gegend eine wichtige Rolle spielt, zeigt sich auch im Formel-1-Museum, das sich in der alten Abtei von Stavelot befindet.

Doch bei unserer Tagestour geht es nicht um Rennsport. Es geht vielmehr um das überdimensionierte Porträt einer pinken Kuh, das seit Monaten an der Außenwand des Abtei zu sehen ist. "Andy Warhol and Co… W" steht darauf geschrieben. Denn das alte Kloster, das heute mit zu den bedeutendsten Kulturerbstücken Walloniens gehört, beherbergt zurzeit eine Ausstellung mit Werken des umstrittenen Pop-Art-Künstlers Andy Warhol.

Ungewöhnliche Kulisse

In überaus ungewöhnlicher Kulisse, dem hergerichteten Dachgeschoss des alten Gemäuers, gibt es seine Zeichnungen und Malereien zu sehen, außerdem Dokumentationen über sein Leben, sein Werk. Die Abtei von Stavelot war ursprünglich ein Benediktinerkloster, das im siebten Jahrhundert gegründet wurde.

Bis zu seiner Auflösung während der Französischen Revolution im 18. Jahrhundert war es von Mönchen bewohnt. Es wurde um 1000 nach Christus zu einem der wichtigsten Zentren der von Cluny ausgehenden Reformbewegung. Auch das Werk von Warhol hat in der Kunst so etwas wie eine Reformbewegung hervorgerufen. Er machte aus einzigartigen Werken zahllose Kopien, produzierte austauschbare Exemplare seiner so berühmten Porträts von Personen der Zeitgeschichte.

Besitz wurde verkauft

Zurück zur Geschichte des Klosters: Nach der Säkularisierung wurde der Besitz der Abtei nach und nach verkauft. So befindet sich eine aus dem 11. Jahrhundert stammende Bibel, die Bibel von Stavelot, heute in der Londoner British Library.

Nach dem Wiener Kongress ging Stavelot kurzzeitig an die Niederlande, bevor es seit 1830 belgisch wurde. Wenn man die Treppen zur Warhol-Ausstellung hinaufsteigt, ist vom Geist des Benediktinerklosters nicht mehr viel übrig. Nur ein Blick aus dem Fenster hilft dabei, sich ins elfte Jahrhundert zurückzuversetzen: Direkt vor dem heutigen Museumsbau befinden sich die archäologischen Überreste der alten Abteikirche.

Suppe und Farbexplosion

Oben angekommen erlebt der Besucher eine wahre Farbexplosion: Warhols Drucke pflastern die bunten Ausstellungswände im gesamten Obergeschoss. Auch eine überdimensionierte Suppendose, die Campbells Tomato Soup, empfängt die Besucher gleich im ersten Raum.

Die Abbildung Marilyn Monroes aus dem Kinofilm Niagara, die Warhol in vielen Farbvariationen zu Papier gebracht hat, gehört zu den bekanntesten Werken des Amerikaners. Auch einen kleinen Einblick in die "Factory", den Treffpunkt vieler Künstler und Musiker in den 60er und 70er Jahren, erlaubt die Ausstellung in Stavelot - mitten in den belgischen Ardennen.

Lichtenstein und Rauschenberg

Nicht weniger erstaunlich ist der zweite Teil der Ausstellung, der Warhols Zeitgenossen gewidmet ist. Dazu muss man das Obergeschoss verlassen und sich vorbei am Besuchercafé und dem mit Pop-Art vollgestopten Museumsshop in Richtung des Altarraums begeben. Dass es sich um solch einen handelt, sieht man nicht auf den ersten Blick. Denn der Altar ist von einer riesigen Ausstellungswand verdeckt.

Die farbintensiven Bilder von Roy Lichtenstein oder Robert Rauschenberg und Walasse Ting, auf denen sich nackte Frauen räkeln, lassen vergessen, dass hier in Gottesdienste gefeiert wurden. Die laute Musik der Rolling Stones, die dazu blechern aus dem Lautsprecher tönt, tut ihr Übriges dazu. Andy Warhol soll einmal geäußert haben: "Alle sagen sie, dass die Zeit Dinge verändert. Doch man muss die Dinge selbst verändern." Ihr Kloster hat die Stadt Stavelot sehr verändert. Aus den einst klerikal genutzten Sälen und Gängen ist ein völlig andersartiger Kulturtempel geworden.

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