Landwirtschaft Allein gegen den Amtsschimmel

STADTKYLL/HAMMERHÜTTE. Jeder bekommt irgendwann, was er verdient. Nur dieser Bauer nicht: Seit drei Jahren wartet Josef Reuter auf EU-Fördergeld, das ihm zwar zusteht, von den rheinland-pfälzischen Behörden aber nicht ausgezahlt wird.

 Bogen überspannt: Josef Reuter sieht sich als Bauernopfer im Behördenschacher.Foto: Fritz-Peter Linden

Bogen überspannt: Josef Reuter sieht sich als Bauernopfer im Behördenschacher.Foto: Fritz-Peter Linden

Foto: Linden Fritz-Peter

"Es gehthier nicht um Almosen", sagt Josef Reuter im Gespräch mit demTV . "Es geht hier um etwas, das mir zusteht. Bettelnliegt mir vollkommen fern." Recht haben und Recht bekommen - das bleiben zwei verschiedene Dinge. Auch in diesem Fall, der vermuten lässt, dass es nichts gibt, woraus der streng geregelte deutsche Bürokratismus nicht irgendwann ein Problem zu machen verstehen würde. Bei Reuter ist den Behörden ein besonders kurioses Beispiel gelungen. Und das Opfer ist ausgerechnet ein Bauer aus der Eifel, der sich der umwelt- und ressourcenschonenden Landwirtschaft verschrieben hat.

Statt Betriebssitz zählen die Flächen

 Zur Sache: Im Jahr 1995 legte die Europäische Union ein Förderprogramm für Bauern auf, die sich einer nahezu vollkommen ökologischen Landwirtschaft verpflichten. Unter anderem dürfen diese Landwirte keine synthetisch hergestellten Düngemittel verwenden und nur eine begrenzte Zahl von Tieren auf ihre Weideflächen lassen (1,4 Großvieheinheiten pro Hektar, also höchstens eine Kuh und ein Kalb). Der dadurch verringerte Profit wird mit Zahlungen aufgefangen. Die Verträge mit den Bauern laufen über fünf Jahre.

 "Das ist was für uns", dachten damals Josef Reuter und seine Frau Margot. Sie betreiben einen Hof mit 110 Tieren in der Nähe von Stadtkyll, in der Siedlung Hammerhütte. Der ansehnliche, denkmalgeschützte Bau aus dem Jahr 1817 (bisweilen auch Kulisse für die Fernsehserie "Lindenstraße") liegt 100 Meter jenseits der Grenze zu Nordrhein-Westfalen (NRW). Reuter bewirtschaftet insgesamt 56 Hektar Land, davon 27 auf rheinland-pfälzischer Seite.

 Das Fördergeld wird von den Ländern ausgezahlt. Bis zum Ablauf des ersten Vertrags war das auch kein Problem: Es galt das Betriebssitz-Prinzip. Das heißt: Das Land, in dessen Grenzen sich der Hof befindet, überweist das komplette Fördergeld. Also zahlte NRW fünf Jahre lang die jeweils 8000 Euro, die Reuter zustanden.

Die Länder machen dicht

 Im Jahr 2000 aber stellte das Land auf das Flächen-Prinzip um. Die Folge: Reuter erhielt aus Düsseldorf nur noch Geld für seine nordrhein-westfälischen Weiden. Den Rest möge er sich bitte in Rheinland-Pfalz besorgen.

 Kein Problem, dachte Josef Reuter. Auf eine Anfrage bei den dortigen Behörden erhielt er jedoch die ernüchternde Antwort: Tut uns Leid, wir bleiben weiter beim Betriebssitzverfahren, und da Ihr Hof in Nordrhein-Westfalen liegt, können wir auch nichts zahlen (Rheinland-Pfalz ist neben dem Saarland das einzige Bundesland, das am Betriebssitzprinzip festhält).

 Da werde sich doch bestimmt eine Ausnahmeregelung finden lassen, dachte der Bauer. Von wegen. Es begann ein vermutlich beispielloser und bis zum heutigen Tag erfolgloser Kampf gegen den Amtsschimmel. Auf höchster Ebene stritten sich die Ländervertreter - Bärbel Höhn, NRW-Umweltministerin, wetterte gegen den Mainzer Landwirtschaftsminister Hans-Artur Bauckhage, man verhandelte, man kam zu keinem Ergebnis.

Hilfsgesuche aus Mainz und Düsseldorf

 Das traurige Fazit: keine Einigung über das Verfahren, kein Geld für Josef Reuter. Der macht zwar Öko, aber die Länder machen dicht. "Glaubst du, da hätte sich einer auch nur einen Millimeter bewegt?", fragt der Bauer verzweifelt. Jedes Jahr gehen ihm dadurch rund 4000 Euro durch die Lappen. "Dabei bin ich ja noch für deren Ideen zu haben und stehe dem Naturschutz positiv gegenüber."

 Nein, es bewegt sich nichts und niemand. Für Reuter eine "Bankrotterklärung" der Behörden. Der Peinlichkeits-Gipfel waren zwei Schreiben aus Mainz und Düsseldorf: Darin baten ihn die zuständigen Beamten, sich doch beim jeweils anderen Ministerium dafür einzusetzen, dass man dort zum jeweils anderen Vergabe-Prinzip wechseln beziehungsweise zurück kehren möge. "Bitte unterstützen Sie uns", hieß es da in Umkehrung der Verhältnisse aus Düsseldorf. Und auch Mainz wäre ihm "dankbar", wenn er sich "im Rahmen Ihrer Möglichkeiten" für die NRW-Rückkehr zum Flächenprinzip einsetze.

 Es kommt noch schlimmer: Denn Josef Reuter ist ja nur einer der ersten, die vom Behörden-Schacher um das Fördergeld betroffen sind. In den kommenden Jahren folgen dann all jene Grenz-Bauern, die später in das EU-Programm eingestiegen sind und deren Verträge erst jetzt ablaufen. "Im nächsten Jahr sind es schon 70, vor allem im Westerwald", schätzt Josef Reuter.

 Zurzeit bleibt ihm nur eine Hoffnung: "Wenn die anderen Bauern dazu kommen, wird sich der Druck erhöhen. Vielleicht passiert ja dann endlich was."

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