Als der Pastor die Messdiener suspendierte

RITTERSDORF. (uhe) An das Osterwochenende des Jahres 1946 erinnern sich in Rittersdorf noch einige. Erst war die Sache mit dem Gespenst, dann das mit dem Hund und am Schluss der erbarmungslose Pastor.

Es sei in der Nacht so gegen ein Uhr gewesen, erinnert sich Martin Roths aus Rittersdorf. Die Nacht von Karfreitag auf Ostersamstag 1946. Roths war damals zwölf Jahre alt und zusammen mit den anderen Jungen aus dem Ort unterwegs, um zu klappern. "Auf einmal kam eine weiße Gestalt auf uns zu", sagt Roths. "Ich bin ein Gespenst", habe die Erscheinung gesagt, doch anstatt sich davon einschüchtern zu lassen, trieben die Jungs die Gestalt in Richtung Nims, wo sich das Gespenst dann zu erkennen gab - ein Erwachsener aus dem Ort.Ein Hund flog aus der Räucherkammer

Ein Hund, den die Klapperer in der Nacht mit dabei hatten, hatte während der Geisterjagd eine andere Fährte aufgenommen - die von Wurst und Schinken, die zu einer leicht zugänglichen Räucherkammer führte. "Wir hörten nur ein Gejaule. Auf einmal ging in der zweiten Etage das Licht an, ein kleines Fenster öffnete sich und das Tier kam mit gespreizten Beinen im Sturzflug nach unten gesegelt", erzählt der inzwischen 71-Jährige. Es sei direkt neben einer Ringelwalze gelandet, sagt Roths, "und erhob sich glücklicher Weise ohne Schaden wieder". Der Höhepunkt des ganzen Osterwochenendes ereignete sich allerdings erst am Samstag, als sich die meisten Einwohner der Gemeinde zur feierlichen Ostervesper in der Ritterdorfer Kirche versammelt hatten. Wie in jedem Jahr hatten die Jungen zuvor gesammelt - für ihren Klapper-Einsatz und für Engagement als Messdiener das ganze Jahr über. "Wir wurden mit reichlich Eiergaben und Geldspenden belohnt", sagt der Rittersdorfer. Nur in einem Haus hätten sie als Lohn eine Reichsmark erhalten, die damals so gut wie nichts wert gewesen sei. Die Jungs fühlten sich in ihrem Stolz verletzt und reagierten auf diesen offensichtlichen Hohn mit einer gemeinsamen Urinier-Aktion auf dem Grundstück des Betroffenen.Alle, außer "dem kleinen Roths"

Später, während der Vesper dann, drehte sich der Pastor, der von der Sache erfahren hatte und damals "noch ein viel höheres Ansehen genoss als heute", zu den Messdienern um und sagte: "Von heute an sind alle Messdiener abgesetzt. Außer dem kleinen Roths." Der kleine Roths, das war und ist Gerhard Roths, der drei Jahre jüngere Bruder von Martin, dem nun vom "Herrn" (gemeint ist der Pastor) der Auftrag erteilt wurde, eine neue Messdienergruppe zusammen zu stellen. Es sei doch nur ein Jungenstreich gewesen, sagt Roths, der sich noch heute, fast 60 Jahre später, an die peinliche Suspendierung der kompletten Mannschaft vor versammelter Kirchengemeinde erinnert. Dass die Tat einen Grund hatte und damit auch berechtigt gewesen sei, habe den Pastor nicht interessiert, erzählt Roths.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort