Amerikanisches Leben beginnt in der Eifel

Unterscheiden sich amerikanische Schwangere von deutschen Schwangeren? In mancher Hinsicht tun sie das. Als die Air Base im Juli ihre Kliniken schloss, stellte sich die gynäkologische Abteilung der Marienhausklinik Bitburg auf steigende Geburtenzahlen ein.

 Eine kleine Aufmerksamkeit des Hauses: Bodys für Sie und Ihn mit der Aufschrift „I'm a Bitburger“. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Eine kleine Aufmerksamkeit des Hauses: Bodys für Sie und Ihn mit der Aufschrift „I'm a Bitburger“. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Bitburg. "Labour & Delivery" weist ein Schild über der Doppeltür den Weg zu den drei Kreißsälen. Die Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe hat sich augenfällig auf amerikanische Patientinnen eingestellt. Als die Marienhausklinik dem US-Militär zusagte, die medizinische Versorgung zu übernehmen, wurde das Personal in englischer Sprache geschult. Auch die Kreißsaalführungen für werdende Eltern bietet eine Hebamme auf Englisch an. "Es ist unabdingbar für das medizinische Handeln, die Wünsche und Nöte der Patienten richtig zu deuten", sagt Chefarzt Dr. Franz-Rudolf Jerono, der im vergangenen Jahr aus Neuwied an das Bitburger Krankenhaus wechselte.

Da die Lebensweisen der Deutschen und der Amerikaner verschieden seien, ist die Klinikleitung bestrebt, sie in unterschiedlichen Zimmern unterzubringen. Die Amerikanerin nutze gerne den ganzen Tag bei heruntergelassenen Rollläden ihren Laptop. Deutsche Patientinnen möchten lieber freie Sicht aus dem Fenster haben. Unterschiede lassen sich auch bei den Besuchen feststellen, die bei Amerikanern häufiger und länger ausfallen. Kurz nach der Entbindung tummeln sich nicht selten die älteren Kinder der Wöchnerin um ihr Bett. Die junge Mutter aus Deutschland bevorzuge dagegen erst die Stille mit ihrem Neugeborenen, hat Jerono festgestellt.

Ein anderer Unterschied sind die vergleichsweise frühen und vielen Geburten bei Amerikanerinnen: Das erste Kind kommt mit Anfang 20, und nicht selten folgen zwei weitere, erzählt eine Krankenschwester aus ihrer Erfahrung. Sind die Amerikanerinnen in vielem lässiger, was das Kinderkriegen betrifft, sind sie hinsichtlich ihrer Intimsphäre kapriziös. Um diesem Schamgefühl Rechnung zu tragen, hat die Klinik für die Untersuchungen eigens grüne, lange Baumwoll-T-Shirts für die Patientinnen angeschafft.

Die Ärzte, Hebammen und Schwestern der Gynäkologie und Geburtshilfestation wissen, was bei den Amerikanern gut ankommt und stellen sich darauf ein. Besonders beliebt sind 3-D-Bilder des Kindes, die beim Ultraschall entstehen. Zur Geburt gibt es dann Unterwäsche für das Neugeborene mit der Aufschrift "I'm a Bitburger" - auch in Landessprache für die deutschen, versteht sich.

Versucht die Klinik sich in vielem auf die amerikanischen Frauen einzustellen, müssen die sich umgekehrt auch an manch deutsche Vorgehensweise gewöhnen. So seien sie in der Regel verwundert, dass in Deutschland Hebammen und nicht Ärzte entbinden, berichtet der Chefarzt. Auch das große Mitbestimmungsrecht, das sie bei der Geburt im Bitburger Krankenhaus haben, kennen sie aus den USA nicht. Geburtseinleitung ja oder nein, und wenn ja, auf welche Weise, gebären im Liegen oder im Stehen, in der Badewanne, auf dem Hocker oder im Bett - die Patientin hat die Wahl. Auffallend sei, dass sich überdurchschnittlich viele Amerikanerinnen für die normale Entbindung im Kreißbett entscheiden, sagt Jerono.

Damit sich die jungen Mütter künftig noch wohler in der Klinik fühlen, hält es der Chefarzt durchaus für denkbar, ein Frühstücksbuffet einzurichten, damit die Stillzeiten nicht mehr durch das Servieren des Frühstücks gestört werden. Dann seien durchaus auch "bacon and eggs" auf dem Speiseplan vorstellbar.

EXTRA Geburtenzahlen: In den vergangenen zwei Jahren sind die Geburtenzahlen im Bitburger Krankenhaus stark angestiegen. Gab es bundesweit drei Prozent mehr Geburten gegenüber dem Vorjahr, waren es in der Marienhausklinik 20 Prozent. Chefarzt Franz-Rudolf Jerono führt dies auch auf eine steigende Beliebtheit der Geburtshilfestation zurück, die durch die neue Strategie der Mitbestimmung punktet. Vergangenes Jahr sind 440 Babys in der Marienhausklinik zur Welt gekommen, 90 von ihnen als Kinder amerikanischer Eltern. In der ersten Jahreshälfte 2008 waren es bereits 50 von 300. Für den regelmäßigen Erfahrungsaustausch treffen sich das medizinische Personal der Air Base und der gynäkologischen Abteilung des Bitburger Krankenhauses einmal im Monat zum Gespräch. Die Arzttermine vereinbart ein Verbindungsoffizier für die amerikanischen Patientinnen. Er hat ein eigenes Büro mit 24-Stunden-Service direkt im Krankenhaus.

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