Auf den Kartoffeln erfolgreich versteckt

Zum Kriegsende wohnte ich mit meiner Mutter und zwei Geschwistern in Kordel. Schon 1944 war unser Dorf mehrmals Ziel von Luftangriffen, bei denen viele Bewohner getötet oder verletzt wurden. Wenn die Heulgeräusche am Himmel zu hören waren, haben besonders die Jugendlichen zuerst die Entfernung abgeschätzt, um dann schnellstens irgendwo Unterschlupf zu suchen. Seltsam, dass wir kaum Angst empfunden haben. Wir sind nicht oft in einen Bunker gegangen, weil die wenigen, die gebaut worden waren, nicht gereicht haben, um alle aufzunehmen. Wir haben eine Nacht darin verbracht, konnten - wenn überhaupt - nur im Stehen schlafen; zudem haben sich alle Menschen endlos gekratzt, weil die Haut voller Krätze war. Also sind wir lieber in den Keller vom Mietshaus gegangen. Mehrmals im Jahr fuhr Mutter mit uns Kindern mit einem Leiterwägelchen nach Gilzem, wo unsere Tante wohnte und eine kleine Landwirtschaft betrieb. Dort wurden unsere Essensvorräte aufgestockt, und es machte trotz aller Not immer viel Spaß. Im Herbst 1944 waren wir für mehrere Wochen dort und haben beim Heimkommen nach Kordel Einquartierungen in unserer Wohnung vorgefunden. In dieser Zeit sind Soldaten überall stationiert worden, obwohl die Front immer näher rückte. Weihnachten haben wir dann wieder einen Luftangriff erlebt, bei dem wir Kinder in der Kirche waren. Ich glaube, dass auch ich damals Angst hatte. Trotzdem haben wir uns irgendwie beschützt gefühlt, weil Soldaten im Dorf waren. Anfang 1945 haben diese sich nach und nach durch die Wälder geschlagen - viele von ihnen sind bei der Flucht ums Leben gekommen. Sie hatten auch die Brücke über die Kyll gesprengt, weil sie glaubten, so den anrückenden Amerikanern den Einmarsch zu erschweren. Am 2. März hatten wir uns dann nochmal in den Bunker verkrochen. Vorher wurden noch sämtliche Sachen, die in irgendeiner Weise nationalistisch schienen - sogar alle Fotos von Familienmitgliedern in Uniform - vergraben oder versteckt.Raus aus dem Bunker, ab nach Hause

Als die ersten Helme der Amis zu sehen waren, sind wir aus dem Bunker raus und heim in die Wohnung. Inzwischen hatte sich mein Onkel, der in der Nähe bei der OT Dienst verrichtet hatte, in unser Haus geflüchtet, was natürlich für uns eine dramatische Situation war. Draußen sind amerikanische Soldaten die Häuser abgegangen, während Mutter den Onkel im Keller auf der Kartoffelstellage mit einer Decke zudeckte. Die Soldaten kamen ins Haus, sie bekamen von uns eingewecktes Obst und saßen ein bisschen herum. Den Keller haben sie Gottlob nicht durchsucht. So war für uns der Krieg zu Ende. Wir wussten, wenn jetzt Flugzeuge erscheinen, dann sind sie für Kordel keine Gefahr mehr. Ich, 15 Jahre, mein Bruder, 13 Jahre und meine Schwester, neun Jahre, hatten trotz Krieg eine frohe Kindheit dank einer tüchtigen Mutter. Auf den Vater haben wir bis 1949 warten müssen, ehe er aus russischer Gefangenschaft kam. Paula Schneider, die Autorin dieses Zeitzeugenberichtes aus Kordel, wohnt heute in Gilzem. Die ehemalige Anwaltsgehilfin ist 75 Jahre alt.

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