Balsam für Bitburgs Bürgermeister

BITBURG. Das gleiche Prozedere wie in jedem Jahr: Zur Eröffnung der 39. Auflage des Folklore-Festivals konnten sich die Festgäste im Haus Beda auf Bewährtes verlassen - auf schwüle Sommerhitze, schicke Abendgarderobe und die Präsentation eines weitgehend unbekannten, aber faszinierenden Landes: der Ukraine.

 Präsentierten die Ukraine: die temperamentvolle Volkstanzgruppe Bojkivtschanka aus Dolyna.Foto: Roland Grün

Präsentierten die Ukraine: die temperamentvolle Volkstanzgruppe Bojkivtschanka aus Dolyna.Foto: Roland Grün

Kiew, Tschernobyl sowie Wladimir und Vitali Klitschko - mehr ist vielen der rund 350 geladenen Gäste über die Ukraine wohl nicht bekannt. Sie kommen aus Kreistag und Stadtrat, vom deutschen und amerikanischen Militär, von den Kirchen und aus der Politik oder sie sind Sponsoren, ohne die das Großereignis nicht über die Bühne gehen könnte.Das Gastland des 39. Europäischen Folklore-Festivals in Bitburg hat einiges zu bieten. Nicht nur den sympathischen Generalkonsul Yurij Yarmilko, zuständig für Rheinland-Pfalz, das Saarland, Hessen und Nordrhein-Westfalen, der die Gelegenheit nutzt, seine Heimat in der Bierstadt vorzustellen. Und, um dort seinen 20. Hochzeitstag zu feiern - mit Blumen in den ukrainischen Nationalfarben blau und gelb, Küsschen, Musik und Tanz der temperamentvollen Volkstanzgruppe Bojkivtschanka aus Dolyna sowie heimischer Kost. "Damals, vor 20 Jahren hätten wir beide uns als junge Leute in der Sowjetunion niemals vorstellen können, dass wir dieses Jubiläum in einem vereinigten Deutschland feiern würden", sagt der 45-jährige Generalkonsul und weist damit zum Thema seiner Rede über den "Weg der Ukraine nach Europa".Polit-Kost vor Gemüseragout

Denn ehe Gast und Gastgeber, Bitburgs Bürgermeister Joachim Streit, sowie der Rest der Gesellschaft zum angenehmen Teil des Abends bei heimischem Bier, feurigem Gemüseragout und Pelmeni-Maultaschen übergehen können, steht knochentrockene Polit-Kost auf dem Speiseplan. Wer will dem osteuropäischen Diplomaten dies verübeln, ist das Festival doch eine ideale Werbe-Gelegenheit für ein Land, das den Anschluss an Europa nicht verpassen will."Hier als Diplomat nicht politisch zu werden, wäre, wie wenn ich als Reisender in Bitburg kein Bier tränke", gesteht Yarmilko charmant. "Unser Volk feiert zwar am 24. August erst den zwölften Jahrestag seiner Unabhängigkeit, aber es gehört zu den ältesten Europas." Nicht nur, dass das eigentliche Zentrum Europas im Westen der Ukraine liege. Auch habe der ukrainische Fürst Jaros als "Schwiegervater Europas" im Mittelalter dafür gesorgt, dass seine Töchter das Land mit den Herrschaftshäusern in Schweden, Deutschland und Frankreich verbanden. "Die Verbindungen sind offensichtlich", schmeichelt er. Die Festgesellschaft lacht, sein Anliegen gewinnt an Sympathie.Nun, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und vor der EU-Osterweiterung, müsse man Osteuropa wieder mehr Aufmerksamkeit widmen. "Wir wollen die Frage der Mitgliedschaft in der EU nicht forcieren, aber das Europa des 21. Jahrhunderts ist ohne die Ukraine nicht vorstellbar", wirbt der Generalkonsul bei seinen "guten Freunden" in Bitburg.Um dies noch symbolisch zu untermauern, überreicht Yarmilko Bürgermeister Joachim Streit nach dem Eintrag ins Goldene Buch die "Bulawa", eine Holzkeule mit scharfen Zacken und Machtsymbol ukrainischer Fürsten. Ein ideales Sanktions-Instrument für streitlustige Stadtratssitzungen, wird geunkt. Doch auch Bürgermeistergattin Petra Streit scheint bereits ein Auge auf die Waffe geworfen zu haben.Dabei ist Bitburgs Stadtoberhaupt bereits mit ukrainischen Sitten vertraut, hat"Öcki" Streit doch den Nationalschnaps "Balsam" getestet. Sein fachmännisches Urteil: "Besser als unser Balsam in Bitburg." Womit es der Gemeinsamkeiten wohl genügend gibt und der Eröffnung des Festivals nichts mehr im Wege steht.

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