Bittere Quittung

TRIER. Ganze 1300 Euro erbeutete ein Heroinabhängiger bei Überfällen auf ein Sonnenstudio in Gerolstein sowie eine Neckermann-Filiale und ein Matratzengeschäft in Bitburg. Weil er nicht zum ersten Mal straffällig wurde, fällt die Quittung mit fünf Jahren Haft drastisch aus.

Das Wort "typisch" fällt oft in der Verhandlung bei der dritten großen Strafkammer des Trierer Landgerichts. Eine typische Drogenkarriere: Haschisch mit 14, Ecstasy mit 16, Heroin und Koks mit 18. Die typische Beschaffungskriminalität: Kleine Einbrüche, Diebstähle, die erste Verurteilung auf Bewährung. Dann größere Überfälle. Kaum 21, landet der in Daun geborene Benjamin F. erstmals im Knast. Er muss sich erst einer Therapie unterziehen, geht clean ins Wittlicher Gefängnis, wo er wieder mit Heroin anfängt. Auch das offenbar typisch. Die Beschaffung hinter Gittern sei "überhaupt kein Problem", sagt der Angeklagte, schließlich komme er aus der Gegend, kenne viele Leute und sei stets "zu günstigen Preisen" versorgt worden. Eine einzige Urinprobe habe man ihm während der ganzen Haftzeit abgenommen. "Sehr unbefriedigend, aber nicht zu ändern", nennt Staatsanwalt Thomas Albrecht in seinem Plädoyer diesen unerträglichen Zustand, und es klingt ziemlich resigniert. Im Januar 2005 auf Bewährung entlassen, macht Benjamin erst mal "Party", steckt seine 1380 Euro Entlassgeld in neuen Stoff. Eineinhalb Gramm Heroin pro Tag, bei einem Preis von 50 Euro pro Gramm: Nach zwei Wochen ist das Geld weg. Sein Vater steckt ihm hier und da was zu, die Drogenberatung bringt ihn in einer Zweier-Wohngemeinschaft unter. Überfall nach Entzugserscheinungen

Aber Ende März ist er endgültig blank, und die Entzugserscheinungen machen sich bemerkbar. Er steckt die Spielzeugpistole seines Mitbewohners ein und fährt nach Gerolstein, wo es irgendwo noch Heroin geben soll. Aber er trifft den Dealer nicht an, und ein paar Straßenecken weiter geht er kurz entschlossen in ein Sonnenstudio, fuchtelt mit der Pistole vor der Verkäuferin herum und lässt sich den Inhalt der Kasse, 395 Euro, in eine Plastiktüte packen. Dann fährt er nach Düsseldorf, um sich zu versorgen. Eine Woche reicht das Geld, dann lädt er nach: Diesmal ist eine Neckermann-Filiale in der Bitburger Innenstadt dran, die Beute beträgt 500 Euro. Wieder ist der Stoff für ein paar Tage gesichert, dann steht er mit Spielzeugpistole, Baseball-Kappe und Schal in einem Matratzengeschäft. 440 Euro nimmt er mit, aber die Polizei schnappt ihn ein paar Minuten später am Erdorfer Bahnhof. Dass er seine Taten umfassend gesteht, erspart ihm vor Gericht eine noch längere Haftstrafe. Die vergleichsweise niedrige Beute, die Entzugserscheinungen, die möglicherweise seine Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt haben, die Spielzeug-Pistole: Selbst die Anklage bringt etliche Punkte zugunsten von Benjamin F. vor. Im Hintergrund mag auch eine Rolle spielen, dass der Angeklagte unter einem Gefäßtumor im Kopf leidet, dessen Folgen noch nicht absehbar sind. Fünfeinhalb Jahre fordert der Staatsanwalt, der Verteidiger plädiert auf fünf Jahre. Bei diesem Strafmaß pendelt sich auch das Gericht ein. Benjamin F. habe zu wenig getan, um ernsthaft von der Sucht wegzukommen, hält ihm der Vorsitzende Richter Jörn Schlottmann vor. Nun soll er als Bestandteil des Urteils erst einmal in eine geschlossene Therapie - ein Schritt, den der Angeklagte selbst gewünscht hat. Danach aber muss er den Rest seiner Strafe absitzen, im Gefängnis, wo das Heroin anscheinend an jeder Ecke zu haben ist - und die Rückfallgefahr offenbar größer als in Freiheit. Der Sachverständige hat jedenfalls angedeutet, dass er es für sinnvoller hielte, F. erst einen Teil seiner Strafe absitzen zu lassen und ihn dann gegen Ende in die Therapie zu schicken, mit anschließender Freilassung. Aber das lässt die Rechtslage in einem solchen Fall nicht zu.

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