Der Leidensdruck ist noch nicht groß genug

BITBURG. (uhe) Lücken im Netz: Situation und Zukunft des Wirtschafts- und Sozialsystems standen im Mittelpunkt eines zweitägigen Forums in Bitburg, das von der Theobald-Simon-Schule veranstaltet wurde.

 Professor Karlhans Sauernheimer von der Universität Mainz erklärt, wie die soziae und lwirtschaftliche Situation in Deutschland verbessert werden könnte.Foto: Uwe Hentschel

Professor Karlhans Sauernheimer von der Universität Mainz erklärt, wie die soziae und lwirtschaftliche Situation in Deutschland verbessert werden könnte.Foto: Uwe Hentschel

Reißt das Netz sozialer Sicherheit? Sind Solidarität und Gemeinschaft passé? Mit diesen und ähnlichen Fragen, die angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Situation in Deutschland immer häufiger gestellt werden, beschäftigten während eines zweitägigen Forums zahlreiche Schüler der Bitburger Theobald-Simon-Schule, des St.-Willibrord-Gymnasiums, des Neuerburger Eifelgymnasiums und der Trierer Berufsbildungsschulen. Die strukturelle Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zeige, dass Menschen mit höherer Ausbildung auf dem Berufsmarkt eindeutig die besseren Aussichten hätten, erklärte einer der geladenen Experten im Haus der Jugend, Prof. Dr. Karlhans Sauernheimer vom Institut für Allgemeine und Außenwirtschaftstheorie an der Universität Mainz. Die wachsende Arbeitslosigkeit in Deutschland sei kein Phänomen der vergangenen Jahre, betont der Ökonom, sondern eine Entwicklung, die sich seit 30 Jahren abzeichne. "Nachfragemangel als Ursache schließt Sauernheimer aus und sieht statt dessen viel mehr ein Problem in dem hohen und ständig ansteigenden Lohnkostenniveau in der Bundesrepublik. "Wenn versucht werden soll, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, muss an den Arbeitskosten gearbeitet werden", fordert der Wirtschaftsexperte, der zudem ein Problem bei Berufen im Billiglohnsektor sieht. "Für eine gewisse Gruppe in der Bevölkerung ist der Anreiz für Arbeit nicht groß", merkt Sauernheimer an, bei einer Familie ab zwei Kindern wäre die Sozialhilfe, also das Einkommen bei Nichtarbeit, höher als bei Arbeit. Man dürfe den überwiegend unterqualifizierten Leuten aber deshalb nicht vorwerfen, dass sie sich dementsprechend verhalten würde", sagt der Professor. Schuld seien vielmehr die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Der Vorschlag der Bundesregierung, die Sozialhilfe und das Arbeitslosengeld zusammen zu legen sei dabei der richtige Ansatz, sagt Sauernheimer, der ein großes Problem in den derzeitigen wirtschaftspolitischen Streitereien und fehlendem Durchsetzungsvermögen bei den zum Teil im Ansatz richtigen Reformvorschlägen sieht. "Man muss sich auch mal gegen Interessenverbände entscheiden können", meint der Ökonom. Ebenfalls erschwerend für Veränderungen seien die großen Parteien SPD und CDU, weil sie zu ähnlich seien, "um großartige Veränderungen durchzusetzen".Große Parteien sind sich sehr ähnlich

Ob er denn überhaupt noch eine Chance sehe, dass die derzeitige Arbeitssituation in Deutschland sich wieder verbessern könne, ist eine von vielen Fragen der anwesenden Schüler, die dem Mainzer Professor im Anschluss an seinen Vortrag gestellt werden. Eine Chance sehe er in der Tat, antwortet Sauernheimer, doch aus seiner Sicht ist der Leidensdruck in der Bevölkerung momentan noch nicht groß genug, "um Politiker dazu zu zwingen, Politik zu machen". Der Zeitpunkt werde noch kommen, ist sich der Wirtschaftsexperte sicher, "zwar noch nicht morgen, aber es wird keine zehn Jahre mehr dauern".

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