Der Volksfreund mobilisiert Sütterlin-Kundige

BITBURG. (pit) Auf die Frage in unserem Gewinnspiel: "Wer kann heute noch Sütterlin?" klingelte in der Redaktion Bitburg das Telefon heiß. Alle Teilnehmer konnten den Lösungssatz mühelos lesen. Und wer denkt, es handelte sich dabei nur um die älteren Semester, hat sich getäuscht.

Eine der jüngeren Teilnehmerinnen des Sütterlin-Gewinnspiels war die 40-jährige Edelgard Jänen aus Prüm : "Ich betreibe Ahnenforschung und muss viele alte Urkunden lesen, da habe mir die Sütterlinschrift selbst beigebracht." Peter Rabsahl , Jahrgang 1955, aus Büdesheim klagt über Nachwuchsprobleme bei den Sütterlin-Kundigen: "Es wird immer schwieriger, für Orts- und Familiengeschichten zu recherchieren, die alten Dokumente können nur noch wenige lesen". Für die älteren Anrufer verbinden sich mit Sütterlin viele Erinnerungen aus der Kindheit, an die Dorfschule in Schlausenbach, wie bei TV -Leser Daniel Thielen aus Bleialf , an die Feder, an das Heft mit den Hilfslinien. Maria Welter aus Pronsfeld wollte auch am Lesewettbewerb teilnehmen, kam aber nicht durch. "Ich habe mir die Finger wund gewählt, aber es kam immer nur das Besetztzeichen." Erst am Nachmittag, nachdem der große telefonische Ansturm abgeebbt war, erzählte sie, dass sie nur noch in der ersten Klasse Sütterlin lernte, das Schönschreiben hatte ihr am besten gefallen. "Nachdem der Artikel in der Zeitung stand, habe ich mich am Sonntag hingesetzt und wie ein I-Dötzchen Sütterlin-Buchstaben geübt." Rosemarie Krämer aus Biersdorf vermittelt als "Sütterlin-Familienbeauftragte" zwischen den Generationen. "Schrieben meine Eltern Briefe an ihre Enkelkinder, musste ich sie übersetzen." Eine andere Möglichkeit, im Sütterlin-Training zu bleiben praktiziert, die 78-jährige Hedwig Billen aus Speicher . Sie schreibt Artikel aus der Zeitung in Schönschrift ab. Ähnliche Gefühle für die schöne Schrift hegt Gertrud Schmitz aus Gerolstein . "Ich fand die Sütterlinschrift so schön und konnte die neuen Buchstaben zuerst gar nicht leiden." Den Wechsel der Schriften kann sie an ihren Zeugnissen nachvollziehen. Ab dem Schuljahr 1941/42 war es vorbei mit der Sütterlinschrift. Unter dem Motto "gelebtes Sütterlin" steht der Haushalt von E lfriede Hormisch aus Karlshausen . Die 62-Jährige hat noch in den 50er Jahren Sütterlin am Regino-Gymnasium Prüm gelernt und auch ihre Kinder haben Interesse an der alten Schrift. "Bei uns in der Familie hat Sütterlin Tradition. Wenn meine Tochter Marmelade kocht, beschriftet sie die Gläser in Sütterlin." Briefkontakte mit Soldaten aus der Kriegszeit, Namenstagskarten der Mutter, Klassentreffen mit Namenschildchen in Sütterlin, so könnte man die Erfahrungen und Erinnerungen der Leser endlos fortsetzen. Auch von offizieller Stelle erreichte uns ein Fax. Das Problem: Es war ausschließlich in Sütterlin geschrieben. Die Folge: Rätselraten in der Redaktion. Aber nach einigen geistigen Klimmzügen konnte der Sütterlin-Text, Absender war der heimatkundliche Arbeitskreis der Verbandsgemeinde Speicher, geknackt werden. Es war das Feuerwehrgedicht, das einige sogar noch in der Schule gelernt hatten. Und die persönliche Widmung von Werner Streit vom Arbeitskreis deckt sich mit unseren Erfahrungen aus dem Gewinnspiel: "Die deutsche Sütterlin ist nicht vergessen, sie lebt!"

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