Der tägliche Kampf um die besten Plätze

Es sind nur fünf bis zehn Minuten. Doch diese kurze Zeitspanne verlangt den Busfahrern, die unter der Woche täglich zwischen 13 und 13.30 Uhr den Zentralen Omnibus-Bahnhof in Bitburg anfahren, alles ab: Konzentration, Fahrkünste - und vor allen Dingen gute Nerven. Der TV hat einen Busfahrer auf seiner Fahrt begleitet. In fünfzehn Minuten auf 180 - das erleben Bitburger Schüler jeden Tag. Beim Einstieg in die Busse herrscht dichtes Gedränge, ein chaotischer Kampf um die "besten Plätze". Dabei verhalten sich die Schüler nicht gerade zimperlich.

 Viele Schüler, wenig Platz: tägliche Schwerstarbeit für den Busfahrer Günter Weiler auf dem Omnibus-Bahnhof.TV-Foto: Nina Ebner

Viele Schüler, wenig Platz: tägliche Schwerstarbeit für den Busfahrer Günter Weiler auf dem Omnibus-Bahnhof.TV-Foto: Nina Ebner

 Gedränge am Bahnsteig: ein tägliches Bild mittags am Bitburger Zob. TV-Foto: Patrick Wiermer

Gedränge am Bahnsteig: ein tägliches Bild mittags am Bitburger Zob. TV-Foto: Patrick Wiermer

Bitburg. Günter Weiler ist ein erfahrener Busfahrer. Seit 38 Jahren sitzt er hinterm Steuer, seit etwa fünf Jahren lenkt er um die Mittagszeit den Bus nach Malbergweich. Seine Fahrt führt ihn dabei gegen 13.15 Uhr zum Zentralen Omnisbus-Bahnhof (Zob) in Bitburg. "Katastrophal" seien die Zustände dort, sagt Weiler. Und genau das wollen er und sein Chef Detlef Krakau, Geschäftsführer des gleichnamigen Busunternehmens, das für die Moselbahn Schulbusfahrten übernimmt, dem TV zeigen.

"Man muss sich wundern, dass dort nicht mehr passiert", sagt Weiler, während er mit seinem Fahrzeug vom Katholischen Schulzentrum St. Matthias in Richtung Zob abfährt. Erst im Frühjahr sei ein Schüler nach einem Gerangel am Haltesteig zwischen einigen Jugendlichen mit einem Bein unter einen Bus geraten. Der Junge kam glücklicherweise mit Schürfwunden davon.

Doch die Angst, dass auch ihm auf dem überfüllten Zob ein ähnlicher Unfall passiert, fahre ständig mit, gibt Weiler zu. Warum dem so ist, lässt sich erahnen, als der Busfahrer den Zob erreicht. Im Schritttempo nähert er sich der Haltebucht 4, an der die Schüler warten. Doch sie warten nicht nur auf dem Haltesteig, sondern auch auf der Busspur selbst. Und davor: Dort, wo Weiler mit seinem schweren Gefährt links in Richtung Bussteig einscheren will, steht eine Gruppe Jugendlicher. Sie sehen den Bus, und dennoch bleiben sie stehen. Millimeter für Millimeter schiebt sich Weiler voran. Im Schneckentempo weichen die Schüler zurück. Haarscharf fährt der Bus an ihnen vorbei. Hochkonzentriert muss Weiler immer wieder einen Blick in die beiden großen Außenspiegel werfen - hat sich da vielleicht doch noch ein Schüler im "toten Winkel" versteckt? Als Weiler sein Fahrzeug endlich zum Stehen bringen kann und die Schüler ein- und aussteigen, deutet Detlef Krakau auf eine Handvoll Jugendliche, die sich vor den Haltesteigen aufhalten. An einer Stelle, die die abfahrenden Busse passieren müssen. Auch diese Schüler weichen nicht zur Seite. "Sehen Sie da, der lässt den Fuß sogar extra stehen", empört sich Krakau. Und tatsächlich: Mit der Stoßstange muss der Bus den Jugendlichen vor sich her- und wegschieben. Dieses "Imponiergehabe" sei Alltag auf dem Zob, berichtet Krakau. "Einigen Schülern ist einfach nicht bewusst, wie gefährlich das ist."

Busfahrer Günter Weiler dagegen kennt die Gefahren sehr wohl - und so ist er wie jeden Tag froh, als er seinen Bus wieder sicher - und unfallfrei - vom Zob weglenkt. Bitburg. (pwr) Der Zentrale Omnibus-Bahnhof (Zob) in Bitburg, 12.50 Uhr. Fünf Schüler stehen auf den Bussteigen, einer hört Musik, einer döst, andere unterhalten sich ruhig. Die Ruhe vor dem Sturm.

Um 13.05 Uhr ist lautes freudiges Schreien und Quietschen zu hören. Jüngere Schüler rennen, schmeißen ihre Ranzen mit Schwung auf den Bussteig. Der Lärmpegel steigt schnell, und bis um 13.15 Uhr schwirren Hunderte von Schülern zwischen den Bussteigen hin- und her. Diese sind zum Teil so voll, dass sich sehr viele Schüler auch auf die Durchfahrtswege der Busse stellen.

Beim Näherfahren müssen sich die schwerfälligen Gefährte vorsichtig durch die Menge vorantasten. Einige Schüler scheinen die Busfahrer zu provozieren, indem sie einfach stehen bleiben. Die Fahrer nehmen es zum Teil gelassen, andere gestikulieren gestresst, drohen durch die Windschutzscheibe.

Die Schüler haben sich mittlerweile an den von ihnen vermuteten Einstiegspunkten versammelt. Dicht gedrängt stehen, ein Kampf um Millimeter. "Das ist hier jeden Tag dasselbe. Das wird sich nie ändern", klagt Florian Römer, 14, aus Idesheim. "Die Kleinen sind am schlimmsten", ergänzt Eric Steffen, 14, aus Mettendorf. Ein Kampf mit harten Bandagen, erklärt Johannes Marxen, 14, aus Hofweiler: "Mein MP3-Player ist mir einmal im Gedränge kaputt gegangen. Sowas passiert hier oft."

Calvin Caspers, 15, aus Bickendorf hat sogar schon Blessuren davongetragen. "Ich habe mir auch schon mal die Hand verstaucht." Die Busfahrer reagieren mit unterschiedlichen Strategien, um Herr der Lage zu werden: Einige machen die Tür auf, anderen lassen die Tür zu und hoffen, dass sich die Situation beruhigt. "Dieser Busfahrer ist so blöd", hört man eine Schülerin aus der Menge rufen. Sie steht vor verschlossener Tür.

Die Schüler wirken gestresst. Das kennt Christopher Langen, 13, aus Mötsch, ganz besonders: "Schafft man es nicht rechtzeitig, in den ersten Bus zu kommen, weil er zu voll ist, muss man 15 Minuten auf den zweiten Bus warten. Aber auch der ist oft überfüllt." Deshalb habe er schon öfters zu Fuß nach Hause gehen müssen.

Schul-Kameradin Caroline Borne hat andere Erfahrungen gemacht: "Ich muss nach Idenheim. Da gibt es kaum Gedrängel." Gegen 13.20 Uhr sinkt der Lärmpegel wieder ab, das Gros der Schüler ist auf dem Weg nach Hause. Über dem Zob kehrt schlagartig wieder Ruhe ein. no/to

Extra Hintergrund der Berichterstattung: Anfang Oktober wurde eine 15-jährige Schülerin auf dem Heimweg von einem Bus am Neuerburger Busbahnhof angefahren und erlitt dabei eine Gehirnerschütterung, Prellungen und Schürfwunden. Nach der Berichterstattung im TV meldeten sich sowohl Busfahrer als auch Eltern und wiesen auf die "unhaltbaren Zustände" am Bitburger Zob hin. Um sich selbst ein Bild zu machen, haben zwei TV-Reporter Schüler und einen Busfahrer mittags am Zob begleitet. (neb)

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