Die letzte Runde - Kneipensterben in der Region

Bitburg-Mötsch / Klausen · Hier schließt der Gasthof, dort macht das Wirtshaus zu. Die kleine Eckkneipe in der Eifel stirbt. Gibt es überhaupt noch Überlebende?

Die letzte Runde - Kneipensterben in der Region
Foto: Christian Altmayer

"Pilsstube" steht über der Tür. Das Schild ist an den Enden geschwungen wie eine Schriftrolle. Nebenan hängt ein Kasten für die Speisekarte. Doch hinter dem Glas steckt nur ein weißes Stück Papier. Wer durchs Fenster lugt, blickt in den Schankraum mit dem gefliesten Boden, den hölzernen Wänden. Deckchen liegen auf den Tischen. Barhocker warten an der Theke auf Gäste, die nicht mehr kommen.

Es wirkt, als wären sie eben noch da gewesen. Obwohl das Gasthaus Weiler im Bitburger Stadtteil Mötsch schon seit gut fünf Jahren nicht mehr aufmacht, ist alles noch da: der Zapfhahn, die Dekoration. Es sieht aus wie in einem Museum. Die Möbel erzählen Geschichten aus einer anderen Zeit. Es sind keine Plastikschemel vom Discounter, sondern gute, alte Holzstühle, mit Polster bespannt.

Man kann die Männer fast sehen, die hier gesessen haben müssen - wie sie Skat spielen und über ihre Frauen oder die Politiker tratschen. Man kann sie reden hören: "Machst du mir noch eins?", "Die nächste Runde geht auf mich!", "Einer geht noch!" Und die Wirtin hat noch einen gebracht, auch spät in der Nacht. Wenn's zu laut wurde, schloss sie eben die Tür.

Jetzt bleibt sie wohl für immer zu - nicht nur im Gasthaus Weiler. 1976 konnte Peter Alexander noch sein Lied von der "kleinen Kneipe" singen. Heute ist sie vielerorts längst verschwunden. Die Zahl der "Schankwirtschaften" in der Eifel wird immer kleiner, wie Daten des Statistischen Landesamtes zeigen (Siehe Info). Das Wirtshaus stirbt aus. Aber es ist ein langsames Sterben. Jedes Jahr verschwinden nur ein paar Gaststätten.

Beispiele gefällig? 2011 schloss das Lokal "Zur gemütlichen Ecke" in Brockscheid. Ein Jahr später ist die "alte Schmiede" in Daun-Pützborn Geschichte. 2014 gingen nach 185 Jahren die Lichter in der Stahler Dorfschänke aus. Die Liste ließe sich fortsetzen. Hunderte Dörfer haben inzwischen keine Kneipe mehr.

In Mötsch hat wenigstens eines von einst vier Wirtshäusern noch geöffnet - allerdings nur sechs Stunden am Tag. Es ist eine Entwicklung, die sich in der ganzen Region beobachten lässt: Die Hildegards und Irmgards, Willis und Werners, die von morgens 11 bis morgens 1 am Zapfhahn standen, gehen in Rente. Und sie finden keine Nachfolger mehr (Siehe Interview).

Oder doch? Im Gasthaus "Zum Kobes" scheint seit Neuestem jedenfalls wieder Leben zu sein. Seit Jahren ist die Wirtschaft in Klausen, im Wittlicher Land, geschlossen. Ein Schild an der Wand weist noch auf die Fußballweltmeisterschaft 2006 hin. Die verwitterte Speisekarte am Eingang verspricht offene Weine. Wird der "Gutsriesling vom Rosenhof" nun bald doch entkorkt? Im "Kobes" renoviert offenbar jemand. Ein Farbeimer steht auf dem Hocker, Werkzeug liegt auf dem Tresen. Eine Leiter lehnt an der Wand.

Soll hier ein neues Wirtshaus eröffnen?"Nee, ein Dönerladen", verrät uns ein Anwohner. Der Zapfhahn wird gegen den Drehspieß getauscht. Kebab löst die Hausmannskost ab, Ayran den "Gutsriesling".

So kann es laufen, aber auch anders: Im ehemaligen Gasthof Maes, nur einige Meter weiter, wohnt mittlerweile jemand. Leerstand gibt es vor allem in kleinen Gemeinden. Dort bleiben Kneipen oft stumme Zeugen einer vergangenen Zeit.

Aber trotz allem gibt es sie noch, die Eckkneipen. Auch im Wallfahrtsort Klausen halten sich noch zwei von einst 14 Wirtshäusern. Wie konnten sie überleben? Um diese Frage zu beantworten, werden wir in den kommenden Wochen einige Gaststätten besuchen. Wir werden uns mit den Kunden und den Wirten unterhalten und sie fragen, was ihre Stammkneipe zu etwas Besonderem macht.

Sie haben einen Tipp, wo wir unbedingt mal vorbeischauen sollten? Dann schreiben Sie uns doch eine E-Mail unter eifel@volksfreund.de

Hintergrund: Die nackten Zahlen

Im Eifelkreis Bitburg-Prüm hat es 2009 noch 114 sogenannte "Schankwirtschaften" gegeben. 2015 waren es nur noch 77. Aktuellere Zahlen hat das Statistische Landesamt nicht.

Im Landkreis Bernkastel-Wittlich ist die Entwicklung - zumindest nominell - nicht ganz so dramatisch. Aber auch hier hat sich die Zahl der Kneipen in sechs Jahren von 164 auf 116 reduziert.

In der Vulkaneifel gibt es nur noch 36 von einst 54 Wirtshäusern.

Hintergrund: Ein Interview mit Dehoga-Chef Gereon Haumann
Erst sind die Tante-Emma-Läden verschwunden, dann die Bäckereien und die Bank-Filialen. Und jetzt stirbt auch noch das Wirtshaus auf dem Land. Das zeigen die Zahlen des Statistischen Landesamtes. Gereon Haumann glaubt, dass daran auch der Staat Schuld hat. Der Präsident des rheinland-pfälzischen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) fordert: "Die kleine Kneipe muss die große Liebe der Politik werden." Ein Interview:
Herr Haumann, warum machen immer mehr Lokale auf dem Land dicht?
Haumann: Weil Wirte kaum noch Geld verdienen. In der Folge finden Sie keine Nachfolger mehr, die zu diesen Konditionen arbeiten wollen.
Und welche Konditionen sind das?Haumann: Der Staat belädt sie mit bürokratischen Auflagen und die Konkurrenz drängt sie vom Markt.
Von welcher Konkurrenz sprechen wir?
Haumann: Zum Beispiel von Kaffeehäusern und Imbissketten. Da wird dann "Coffee to go" angeboten statt Kaffee und Kuchen, Burger statt Hausmannskost. Und dann haben wir überall das gleiche Angebot.
Ok, aber manche Orte wären doch froh, wenn es überhaupt ein Angebot gäbe …
Haumann: Das ist richtig. Für Systemgastronomen lohnen sich kleine, abgelegene Gemeinden nicht. Aber auch hier gibt es Konkurrenz. Ob Hochzeit, Geburtstag, Fastnacht - früher wurde zu jedem Anlass in der Wirtschaft gefeiert. Heute geht man ins Gemeindehaus, weil die Mieten und das Bier dort günstiger sind. Deren Bau wurde von der öffentlichen Hand gefördert.
Eine Fehlentscheidung der Politik? Gibt es denn noch weitere?
Haumann: Ja, die Politik hat viel zum Kneipensterben beigetragen. Das Rauchverbot treibt die Gäste aus dem Lokal, die abgesenkte Promillegrenze im Straßenverkehr macht den Alkoholkonsum unmöglich. An den Spielautomaten verdient man auch nichts mehr - wegen der Vergnügungssteuern. Außerdem betreiben Wirte mittlerweile einen wahnsinnigen bürokratischen Aufwand. Wer heute eine Kneipe führt, muss zum Beispiel endlose Kataloge mit Allergikerhinweisen bereitstellen.
Aber es ist immer leicht, auf die Politik zu zeigen. Stirbt den Kneipen nicht auch die Kundschaft weg? In der jüngeren Generation geht doch kaum noch jemand zum Frühschoppen oder zum Kegeln …
Haumann: Die Wirte tun doch schon einiges, um neue Kunden zu werben. Wer überleben will, muss ein attraktives Angebot machen. Das kann die saisonale, regionale Speisekarte sein oder die besondere Einrichtung. Aber selbst das ist noch kein Garant dafür, dass sich eine Kneipe hält.
Ist das Wirtshaus dann überhaupt noch zu retten?
Haumann: Ich denke schon. Die Leute werden es satthaben nur noch per Mail miteinander zu kommunizieren. Sie werden sich das analoge Tresengespräch zurückwünschen, den direkten Austausch. Aber dafür ist eine Imagekampagne nötig. Gutes Essen, das gepflegte Bier - das muss uns wieder etwas wert sein.

Das Interview führte Christian Altmayer

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