"Diese Kröte wollte ich einfach nicht schlucken"

Am Landrats-Kandidaten scheiden sich die SPD-Geister: Während der Kreisverband unter Führung von Monika Fink Landratskandidat Joachim Streit Unterstützung zugesagt hat, regt sich dagegen an der Basis Widerstand. Nun trat der langjährige Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Bitburg, Heiner Gillen, aus.

Bitburg. Dass der SPD-Kreisverband Bürgermeister Joachim Streit bei seiner Landrats-Kandidatur unterstützt, hat die Bitburger SPD-Basis mit Befremden zur Kenntnis genommen. "Das war anders vereinbart", sagt Stephan Garçon, Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion. Für ihn war Streits Haltung zum großen Flugbetrieb auf dem Bitburger Flugplatzes ausschlaggebend, ihm die Unterstützung zu versagen. "Dabei bleibt es. Das Thema ist für mich so evident, da ändere ich meine Meinung nicht", sagt Garçon, der gleichzeitig betont, dass er sich freue, wenn ein "Nicht-CDUler" ins Kreishaus einziehen würde. Die von der SPD-Kreisvorsitzenden Monika Fink initiierte Unterstützung für Landrats-Kandidat Streit hat auch beim SPD-Ortsverein Bitburg Wellen geschlagen. "Die Genossen gingen davon aus, dass ein eigener Kandidat aufgestellt würde", sagt Vorsitzende Sigrid Steffen.

Gillen spricht von Finks "Wendehals-Politik"

 Er wirft SPD-Chefin Monika Fink „Wendehals-Politik“ vor: Heiner Gillen. Foto: TV-Archiv

Er wirft SPD-Chefin Monika Fink „Wendehals-Politik“ vor: Heiner Gillen. Foto: TV-Archiv



"Aufgrund der Erfahrungen, die wir über die Jahre mit dem Bürgermeister gemacht haben, bezweifeln wir, dass mit Streit ein echter Politikwechsel zu machen ist", sagt Steffen. Beispiele dafür seien die enge Zusammenarbeit von Streit mit der CDU auf Kreisebene, und dass auf Stadtebene Streit meist nicht auf die Anregungen der SPD eingegangen sind. Ob Privatisierung der Bauland-Erschließung, Stadtentwicklung (etwa, wenn es um den Erhalt des Postgebäudes geht, für den SPD und Grüne eintreten) oder die fliegerische Nutzung - einig sind sich SPD und Streit selten.

Heiner Gillen, langjähriger Vorsitzender des SPD-Ortsvereins, der zuletzt mit 100 Prozent der Stimmen als Zweiter Vorsitzender bestätigt wurde, hat auch Probleme mit Streits Politik: "Einst wollte er die Landkreise auflösen, dann forderte er höhere Steuereinnahmen für die Kreise, nun will er Landrat werden." Doch ausgetreten aus der SPD ist er nicht wegen Streit, sondern wegen Fink: "Wir hätten ehrlich sagen sollen, das wir keinen eigenen Landratskandidaten haben. Dieses Salto-Mortale von Fink, dann doch Streit zu unterstützen, war eine Kröte, die ich nicht schlucken wollte." Gillen spricht von einer "Wendehals-Politik" von Fink. Unprofessionell findet er, dass es zu wichtigen Themen zwischen Kreis-SPD und Streit noch nicht mal Absprachen gebe. Gillen: "Wie wollen die zusammenarbeiten, wenn die bei so wichtigen Themen völlig überkreuz liegen?" Weil Gillen für eine weitere Mitarbeit in der SPD keine Basis mehr sieht, ist er ausgetreten. Das bedauert SPD-Ortsvereinsvorsitzende Steffen sehr: "Wir verlieren mit ihm einen geradlinigen Kämpfer, der immer deutliche Worte gesprochen hat." Gelassen reagiert auf die SPD-internen Unstimmigkeiten Landrats-Kandidat Streit: "Für mich gilt die Aussage des Kreisvorstands, der seine Unterstützung zugesagt hat. Einzelne Mitglieder mögen das anders sehen und bewerten, das ist ihr gutes Recht." Monika Fink war gestern nicht zu erreichen.

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Meinung

Problem der Partei

Heiner Gillens Parteiaustritt ist eine Überraschung, aber kein politischer Paukenschlag. Zwar gilt er seit vielen Jahren als seriöser wie kluger Agitator, gleichwohl wird sein Austritt die Landratswahl nicht beeinflussen. In anderen Ortsvereinen sieht man die Entscheidung pro Streit nämlich anders. Bereits beim Parteitag im Mai hatten etliche Genossen die Stirn in Falten gelegt, als Monika Fink Streit die Unterstützung verweigert hatte. Das Problem: Die Basis war nicht gefragt worden. So etwas kommt bei den Genossen bekanntermaßen alles andere als gut. Und nun die Kehrtwende. Das konnte nicht gut gehen. Vordergründig ist im Kontext mit Gillens Demission zwar noch der Name Joachim Streit im Spiel; schaut man aber einmal hinter die Kulissen, so ist festzustellen, dass der Austritt vielmehr die SPD des Kreises und seine Vorsitzende trifft. Jedenfalls entsteht aus Gillens Austritt kein wirkliches Problem für Streit. Vielmehr trifft es die Partei, die nun damit fertig werden muss. Irgendwie. m.reuter@volksfreund.de

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