"Ein richtig deutsches Kind"

Im Alter von sieben Jahren wurde die heute in New York lebende Chemikerin und Buchautorin Inge Auerbacher von den Nazis in das Lager Theresienstadt deportiert. Dass die Tochter jüdischer Eltern überlebt hat, grenzt an ein Wunder. Auf Einladung des Soroptimist Clubs Bitburg-Prüm hat die heute 73-Jährige in Biersdorf über dieses dunkle Kapitel referiert.

 Von ihren Erlebnissen in Nazi-Deutschland erzählte Inge Auerbacher in Biersdorf. TV-Foto: Uwe Hentschel

Von ihren Erlebnissen in Nazi-Deutschland erzählte Inge Auerbacher in Biersdorf. TV-Foto: Uwe Hentschel

Biersdorf. Blaue Augen hatte sie. Und blonde Haare. Genau so, wie Hitler sie wollte. Und ihr Name war "Inge". Die Schildkröt-Puppe, Modell Inge. Erschaffen 1936 zum Anlass der Olympischen Spiele in Berlin, eroberte die Puppe unzählige Mädchenherzen - auch das von Inge Auerbacher.

Inge und Inge waren unzertrennlich, und das, obwohl das kleine Mädchen, das 1935 in Kippenheim im Schwarzwald geboren wurde, so ganz und gar nicht dem Ideal entsprach, das die Puppe verkörperte. Dunkle Haare, ebenso dunkle Augen und dazu Tochter eines gläubigen jüdischen Ehepaars - das war nicht die Inge, wie Hitler sie sich vorgestellt hatte. Und dennoch: "Ich war ein richtig deutsches Mädchen", sagt Inge Auerbacher.

Im Rahmen einer Veranstaltung des Soroptimist Clubs Bitburg-Prüm ist die amerikanische Chemikerin, Buchautorin und Holocaust-Überlebende ins Biersdorfer Dorint Hotel gekommen, um von ihrer schrecklichen Kindheit in Deutschland zu erzählen.

Drei Jahre war sie damals alt, als die Synagoge in ihrer Heimat in Brand gesetzt und der Großvater ins KZ Dachau verschleppt wurde. Er kam wieder zurück, doch einige Monate danach starb er. "An einem gebrochenen Herzen", sagt die Enkelin.

Auf die Wand hinter ihr werden Bilder projiziert. Familienfotos einer zunächst heilen Welt und Bilder von Menschen, die abtransportiert werden. Einer dieser Menschen ist Inge Auerbacher. Mit ihren Eltern und 1200 weiteren Opfern wurde sie 1942 nach Theresienstadt (heute Terezin in der Tschechischen Republik), in ein ghettoähnliches Lager für Juden, deportiert. Mit sieben Jahren war sie die Jüngste, und das Einzige, was sie mitnehmen durfte, war ihre Puppe.

Die 73-Jährige berichtet von Scharlach-Epidemien, von Tuberkulose, an der auch sie schwer erkrankte, von schmutzigem Trinkwasser, von alten Frauen, die versuchten, die Ratten mit Stöcken zu vertreiben, und von den vielen Menschen, die neben ihr starben, von ihren Kindern getrennt oder in Vernichtungslager abtransportiert wurden.

Gebet am Tag der Befreiung



Als Inge Auerbacher, ihr Vater und ihre Mutter am 8. Mai 1945 von russischen Soldaten befreit wurden, waren sie und zehn weitere Gefangene die Einzigen, die von den 1200 deportierten Menschen ihrer Heimat überlebt hatten. "Ich habe noch nie so gebetet wie an diesem Tag", erinnert sich die Holocaust-Überlebende, die nach dem Krieg mit ihrer Familie nach Amerika ausgewandert ist.

Seitdem lebt Inge Auerbacher in New York, wo sie nach ihrem Studium 38 Jahre als Chemikerin gearbeitet und zudem einige Bücher zum Thema "Holocaust" geschrieben hat.

Die Puppe, die auch während der Zeit in Theresienstadt immer bei ihr war, hat Inge Auerbacher vor einigen Jahren dem Holocaust Memorial Museum in Washington übergeben. Sie selbst hat sie damals von ihrer Oma geschenkt bekommen. Als sie zwei Jahre alt war. Und "Inge" war auch nicht der Name der Puppe. "Ich hatte sie Marlene genannt", sagt Inge Auerbacher, "nach Marlene Dietrich". ExtraSpende für Hilfsprojekt: Anlässlich der Veranstaltung im Dorint Hotel hat der Soroptimist Club Bitburg-Prüm den Erlös gespendet, der bei der vergangenen Chartafeier sowie beim Kinoabend für Frauen erwirtschaftet wurde. 3500 Euro wurden an den "Solidaritätskreis Westafrika" übergeben. Der Verein aus Hillesheim setzt sich für Brunnenbau und Trinkwasserversorgung im afrikanischen Burkina Faso ein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort