Eineinhalb Tage unter Trümmern

Da lag ich mit meinen sechs Jahren im Krankenhaus in Bitburg. Nach einem Bombeneinschlag in meiner Nähe mit einem Splitter im Bein, mit mehreren Kindern in einem Zimmer, und wurde operiert.Nur ein Gedanke beschäftigte mich, während ich dort lag: An Weihnachten sollte ich wieder nach Hause nach Holsthum kommen. Was für eine Aussicht, Weihnachten im Kreis der Familie feiern zu können. Zumindest fast. Denn meinen Vater hätte ich nicht wiedersehen können. Er war im Krieg. Aber meine Mutter und die beiden kleinen Geschwister.Im Krankenhaus gab es keine keinen Weihnachts-Baum und keine Weihnachts-Lieder. In Bitburg hatten die Bombardements begonnen.Meine Schwester stürmte aufs Zimmer, alles lärmte. Es herrschte ein großes Durcheinander. Ich konnte wegen meiner Verletzung am Bein kaum laufen und hatte höllische Schmerzen. Aber für mich gab es nur eine Rettung: den anderen Kindern hinterher hetzen, ab in Richtung Keller.Endlich im Keller - doch immer noch nicht geschützt

Laufen, laufen - doch das ging kaum, und dann kam auch noch die Treppe. Eine besonders steile Treppe. Die kam ich mit meinem schmerzenden Bein erst recht nicht runter. Also ab auf den Hosenboden und runterrutschen, Treppenstufe für Treppenstufe. Bis ich endlich im Keller angekommen war. Endlich im Keller - aber noch lange nicht geschützt. Ganz im Gegenteil.Da krachte die nächste Bombe - und auf einmal sah ich Trümmer rechts von mir, Trümmer links von mir, Trümmer über mir. Angst, Todesangst, hatte ich. Später haben sie mir erzählt, dass sie mich erst nach eineinhalb Tagen aus den Trümmern rausgezogen haben.Meine Eltern erfuhren sogar erst nach zehn bis 14 Tagen, dass ich noch lebte. Das Bitburger Krankenhaus war zerbombt, also kamen die Verletzten, zu denen auch ich gehörte, in die Schule nach Nattenheim. Zwei bis drei Wochen musste ich noch da bleiben. Dann kam mein Vater, um mich abzuholen. Aber es gab keine Wagen, keine Autos.Da hat mein Vater mich die mehr als 30 Kilometer lange Strecke von Nattenheim nach Holsthum auf dem Arm getragen. Doch zu Hause erging es mir kaum besser als in Bitburg. Freitags trug mich mein Vater die 30-Kilometer-Strecke, sonntags fielen in der Nähe unseres Hauses zwei Granaten. Mit etlichen Wochen Verspätung feierte ich dann Weihnachten. Strümpfe, Äpfel, Nüsse. Das waren meine Geschenke und ich freute mich sehr darüber.Und von meinem Onkel, der es mit dem letzten Flieger noch aus Stalingrad raus geschafft hatte, ein selbst gebasteltes Spielgerät. STV-Leser Johann Weber lebt heute noch in Holsthum und ist am 30. Dezember 1937 geboren.

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