Geschichte beginnt am kleinen Tisch

SPEICHER. Der Sinn von Zufällen beschäftigte die Teilnehmer eines Empfangs in Speicher. Anlass war eine kuriose Geschichte, die in Himmerod begann.

 Die Gäste aus St. Petersburg bestaunen die Kunstfertigkeit, mit der Töpfermeisterin Annika Becker die einzigartige Speicherer Töpferware herstellt.Foto: Anke Emmerling

Die Gäste aus St. Petersburg bestaunen die Kunstfertigkeit, mit der Töpfermeisterin Annika Becker die einzigartige Speicherer Töpferware herstellt.Foto: Anke Emmerling

In Himmerod hatte die Emaille-Künstlerin Gertrud Ritter-Fischer eine Ausstellung organisiert, die unter dem Titel "Friedensbotschaften" Werke aus St. Petersburg zeigte. Ein Teil der Exponate stammte aus dem dortigen Baron-von-Stieglitz-Museum, mit dessen Direktor Alexander Bartener die Künstlerin seit neun Jahren befreundet ist.Seit 1945 auf der Suche nach Speicher

Im Vorfeld der Ausstellung reiste Rittmann-Fischer mit einer interessierten Gruppe nach St. Petersburg, darunter auch Kurt Weiser, VG-Beigeordneter aus Herforst, und dessen Frau. Diese wiederum entdeckte im Stieglitz-Museum etwa zwei- bis dreihundert Jahre alte Töpferwaren aus Speicher. Von einer Wissenschaftlerin des Museums erfuhren die Eheleute, dass man in St. Petersburg seit 1945 nach dem Ort sucht, aus dem die Keramik stammt.Zum Ende der Himmeroder Ausstellung ergab sich nun die Möglichkeit, einer Delegation aus dem russischen Museum den Herkunftsort der Töpferwaren zu zeigen. Direktor Bartener, Konservatorin Elena Shlikevich und Restaurator Andrej Chulin wurden zusammen mit dem Ehepaar Rittmann-Fischer von Speichers Bürgermeister Rudolf Becker und Kurt Weiser im Speicherer Rathaus empfangen. Dort ergab sich der nächste Zufall. Eine junge Frau, die nur wegen einer persönlichen Angelegenheit das Rathaus aufgesucht hatte, wurde vom Fleck weg als Dolmetscherin engagiert, als sich herausstellte, dass sie nach 18-jährigem USA-Aufenthalt perfekt Englisch sprach.Zufall Nummer drei: Kurt Weiser erkannte in der Dolmetscherin seine ehemalige Schülerin Jutta Luna. Mit den Englisch sprechenden Gästen begann eine lebhafte Unterhaltung. Gertrud Rittmann-Fischer sagte: "Die Geschichte von Deutschen und Russen war immer verwoben, denken Sie nur daran, dass Katharina die Große und auch Baron von Stieglitz, der mit seinem Geld das gleichnamige Museum ermöglichte, Deutsche waren." Aber Begegnungen in Kunst und Kultur trügen zur Verständigung bei. "Geschichte beginnt an so einem kleinen Tisch wie unserem", sagte Rittmann-Fischer. Auch Rudolf Becker betonte Gemeinsamkeiten und meinte: "Zwischen den Menschen unserer beiden Völker herrscht grundsätzlich Freundschaft, denn sie haben viele Berührungspunkte."Direktor Alexander Bartener bekräftigte seine Offenheit für weitere gemeinsame Projekte. Kurt Weiser regte an, eine Tafel mit Informationen über Speicher im St. Petersburger Museum aufzustellen, die Rittmann-Fischer in Emaille-Technik gestalten will.Becker und Rittmann-Fischer überreichten Speicherer Töpferwaren und künstlerische Emaille-Broschen als Gastgeschenke, ehe die Gruppe zur Besichtigung der Töpferei Plewa aufbrach. Dort beobachteten die Gäste hautnah die traditionelle Fertigungstechnik, die noch heute der aus der Zeit der St. Petersburger Exponate ähnlich ist. Alexander Bartener sagte: "Ich bin sehr beeindruckt." Im Museum der Töpferei begann ein angeregter Austausch über geschichtliche Fragen, der beim anschließenden Mittagessen fortgesetzt wurde.

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