Häftlingsnummer auf dem Arm lässt alle verstummen

BIESDORF. (jör) Einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur deutsch-polnischen Versöhnung haben Schüler des Biesdorfer Sankt-Josef-Gymnasiums und ehemalige polnische KZ-Häftlinge gemacht. In Biesdorf diskutierten die Schüler mit ihren Gästen über deren Erfahrungen im Konzentrationslager.

So unterschiedlich die Einzelschicksale der 20 ehemaligen KZ-Häftlinge aus Polen auch sind, so haben doch alle eines gemeinsam: Ihre Jugend und ihr unzerbrechlicher Wille halfen ihnen, die Zeit im Konzentrationslager zu überstehen und vor allem zu überleben. Nun, mehr als 50 Jahre später, kamen einige von ihnen zum ersten Mal in das Land, das so großes Unheil über sie und ihre Familien brachte - und mancher der ehemaligen Häftlinge kam mit gemischten Gefühlen. Aber wie bei jedem, den es in die Ferne zieht, hat die Neugier - in diesem Fall auf das Deutschland von heute - die Oberhand gewonnen. 20 Männer und Frauen, eingeladen vom Maximilian-Kolbe-Werk und dem Hilfswerk für ehemalige KZ-Häftlinge, besuchen 14 Tage lang die Eifel. Auf ihrem Programm steht neben dem Besuch von Sehenswürdigkeiten auch der Gedankenaustausch mit Deutschen, besonders mit der jüngeren Generation. Gelegenheit dazu hatten die 20 Besucher im Biesdorfer Sankt-Josef-Gymnasium, wo sich die Gruppe den Fragen der Jahrgangsstufe zwölf stellte und über ihre Erfahrungen im Deutschland der Nazi-Zeit berichtete. Die meisten der Besucher waren im gleichen Alter wie die Schüler heute, als sie in Konzentrationslagern eingesperrt wurden.Trotz aller Leiden kein Hass auf Deutsche

Als einer der ehemaligen Häftlinge aufstand und seine in den Arm tätowierte Nummer zeigte, herrschte betroffenes Schweigen im Raum. Fassungslosigkeit stand in den Gesichtern geschrieben. Warum sie denn verhaftet wurden, lautete eine Frage. Die knappe, aber vielsagende Antwort darauf: "Weil wir Polen sind." Mit einem Schlag wurde den Schülern damit bewusst, unter welcher Schreckensherrschaft die Menschen in jener Zeit lebten. Ob sie die Deutschen denn hassten, wollten die Schüler wissen. "Nein, wir haben keinen Hass auf die Deutschen. Denn es gibt keine schlechten Nationen, sondern nur schlechte Menschen", war die Antwort, die mit viel Beifall honoriert wurde. Als man dann auf die so genannten "Todesmärsche" zu sprechen kam und einige der Besucher ihre Erfahrungen schilderten, war die Betroffenheit der Schüler immer deutlicher zu spüren. Was sie mit großer Intensität von Zeitzeugen geschildert bekamen, kann kein Bild und kein Film zeigen: Im Winter, spärlich bekleidet, bis zu 300 Kilometer marschieren und dabei am Wegesrand die Leichen derer, die es nicht geschafft hatten, sehen. "Allein der Wille, zu leben und das zu überleben, hat uns stark genug gemacht, diese Tortur zu überstehen", sagt einer der ehemaligen Häftlinge. Die Frage nach dem Sinn einer solchen Veranstaltung beantwortete sich angesichts des tiefen Eindrucks, das das Gespräch hinterließ, fast von selbst. "Wir wollen an unserem Gymnasium Menschen formen und nicht Maschinen ausbilden", sagt Pater Reinhard Vitt, Mitglied der Schulleitung. Neben der schulischen Ausbildung sei es dem Gymnasium Biesdorf wichtig, den Schülern auch Schlüsselqualifikationen mit auf den Weg zu geben. Ein solches Treffen mit Zeitzeugen helfe den Schülern auch im Umgang untereinander. Schließlich erführen sie dabei Dinge über eine Epoche, die nicht in Vergessenheit geraten dürfe. Dinge erfahren, die nicht mit Büchern oder Filmen erfahrbar gemacht werden können. Die Schüler hatten Teil an einem Stück erlebter Geschichte.

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