Nancy war dagegen

BITBURG. Nancy wollte nicht, "Ronnie" hatte Bedenken, aber Helmut Kohl setzte sich durch: Auf Wunsch des damaligen Bundeskanzlers besuchte der US-Präsident im Jahr 1985 den Bitburger Soldatenfriedhof Kolmeshöhe. Ein Besuch, der kaum gute Erinnerungen hervorruft.

Deutschlandbesuch des amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan: Die Visite sollte an den 8. Mai 1945 erinnern, an das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung von der Nazi-Diktatur. Zwei Termine hatte Reagan am 5. Mai: In der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen und in Bitburg. Doch der gemeinsame Auftritt mit Bundeskanzler Helmut Kohl am Nachmittag auf dem Soldatenfriedhof Kolmeshöhe geriet zur peinlichen Affäre, denn dort liegen auch Angehörige der Waffen-SS begraben. Werner Krämer, Pressesprecher der Stadt, erinnert sich: "Damals hat man Bitburg als so eine Art Nazi-Hochburg verkauft, was für die Eifel ja so nicht stimmt." Zuerst, berichtet Krämer, sei ein Besuch auf dem Ehrenfriedhof in Daleiden vorgesehen gewesen. Allerdings hätte der Präsidenten-Tross sich dann über die Dörfer dorthin bewegen müssen. "Die A 60 war ja noch nicht fertig." Also sei man nach Bitburg ausgewichen. "Aber bei der Besichtigung des Friedhofs hatte Schnee gelegen, da konnte man die SS-Zeichen gar nicht sehen." Wohlgemerkt: Kolmeshöhe hat rund 2000 Gräber. Nur 40 tote Soldaten waren Mitglieder der SS, nicht alle von ihnen freiwillig, "und von diesen 40 war die Hälfte erst 16, 17 Jahre alt gewesen." Aber an diesen 40 Gräbern entzündete sich die Entrüstung, angefeuert von einem amerikanischen Journalisten: Dieser hatte den Friedhof Wochen vorher aufgesucht, von anderen Gräbern Blumen eingesammelt und sie vor ein SS-Grab gestellt. Das Foto und der Bericht brachten dann den Skandal ins Rollen. In ihren 1990 veröffentlichten Memoiren ("My Turn", zu deutsch: "Jetzt kann ich reden") geht auch Nancy Reagan, zweite Ehefrau des heute schwer kranken Ex-Präsidenten, auf die Episode ein: "Eindringlich bat ich Ronnie, die Reise abzusagen", heißt es dort. Selbst "Ronnie" habe Vorbehalte gehabt. So viele, dass er noch zwei Tage vor Antritt der Reise den Bundeskanzler gebeten habe, einen anderen Ort auszuwählen. SS-Zeichen von Schnee überdeckt

Kohl blieb stur. Motto: Versprochen ist versprochen. Nancy Reagan erinnert sich: "Die Auseinandersetzung endete natürlich damit, dass Ronnie Bitburg besuchte, und ich war dabei an seiner Seite." Was folgte, waren Demonstrationen, Proteste und jede Menge Schlagzeilen: "Wir hielten uns zwar nur wenige Minuten auf dem Friedhof auf, doch mir erschien es wie eine Ewigkeit", schreibt Nancy Reagan. Kuriosum am Rande: Aufgrund der öffentlichen Entrüstung ließ sich der Präsident sogar die Termine für diesen Tag von seiner Astrologin Joan Quigley planen: Sie legte den Besuch in Bergen-Belsen auf einen Zeitpunkt, der "eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit" versprach und den Bitburg-Termin auf den angeblich weniger Aufsehen erregenden Nachmittag (14.45 Uhr). Genützt hat die esoterische Vorsorge-Maßnahme, wie man heute weiß, nichts: Weltweit bezogen die Bitburg-Touristen Prügel. Die "Washington Post" schrieb: "Es ist unmöglich, dass der Anführer der westlichen Welt einen Kranz in an einem Soldatenfriedhof niederlegt, auf dem Nazi-Sturmtruppen begraben sind." Die "New York Times" bezeichnete den Besuch als "unbedachten Salut" an die "Nazi-Gräber". Lou Cannon, Autor von "President Reagan. The Role of a Lifetime" erinnert in einem Interview an den zweiten Termin des Präsidenten am gleichen Tag. Kein Bericht über Bitburg, sagt er, sei vollständig ohne den Hinweis, dass Reagan in Bergen-Belsen "den Opfern des Holocaust einen der bewegendsten Tribute zollte, die jemals von einem führenden amerikanischen Politiker ausgesprochen wurden". Dennoch: Was folgte, war Spott - auch in der Kunst. Der Wirbel um Bitburg war so groß, dass die Stadt sogar in einigen Songs verewigt wurde: Frank Zappa verfasste "Reagan at Bitburg" und die "Ramones" schrieben "Bonzo goes to Bitburg".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort