"Plötzlich hat das ganze Haus gebebt"

AUW-SCHLAUSENBACH. Das Unwetter über Schlausenbach hat am Dienstagabend Sachschaden von mindestens einer Million Euro angerichtet. Bürger und Helfer arbeiten fieberhaft am Wiederaufbau des Schneifeldorfs.

 Spuren der Verwüstung: In Schlausenbach hat der Tornado am Dienstagabend schwere Schäden angerichtet. Kanthölzer, Reifen und Teile eines Wohnwagens landeten am Zaun.Fotos: Manfred Reuter

Spuren der Verwüstung: In Schlausenbach hat der Tornado am Dienstagabend schwere Schäden angerichtet. Kanthölzer, Reifen und Teile eines Wohnwagens landeten am Zaun.Fotos: Manfred Reuter

Mehr als eine Stunde nach der Unwetter-Katastrophe herrscht im 160-Einwohner Dorf Schlausenbach noch gespenstische Stille. Der Ort steht unter Schock. Die meisten Bewohner sind in der Ortsmitte an der Buswartehalle zusammen gekommen und müssen mit Entsetzen zur Kenntnis nehmen, dass der Tornado kurz zuvor eine breite Schneise der Verwüstung hinterlassen hat. Ein Wunder: Niemand ist verletzt

13 Dächer sind abgedeckt, Wandverkleidungen durchlöchert, Stromleitungen hängen auf der nassen Straße. Ein Wohnhaus mit Stall ist so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass das Haus nicht mehr bewohnbar ist. Eichen- und Weidenbäume sind umgeknickt wie Streichhölzer, manche sogar entwurzelt. Vier Autos sind von umher fliegenden Fetzen getroffen - und dennoch allgemeines Aufatmen: Wie durch ein Wunder ist niemand verletzt. "So etwas habe ich noch nie erlebt. Es kam total überraschend", schildert Heinrich Brandt die Situation. Auch er ist von dem Unwetter betroffen, der Tornado hat mit brutaler Gewalt die Hälfte seiner Stallung abgerissen. Brandt: "Ein paar Minuten, dann war alles vorbei." Schockiert ist auch Johann Wio. "So etwas habe ich noch nicht gesehen." Das Dorf sei von der Außenwelt abgeschnitten. In der Tat. Die Rettungskräfte der Freiwilligen Feuerwehren Schlausenbach, Auw, Bleialf und Prüm sowie die Fahrzeuge von Polizei, Technischem Hilfswerk (THW) und die des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) können das Dorf nur über einen Wirtschaftsweg aus Richtung Kobscheid erreichen. Das gilt auch für die Teams von Straßenmeisterei und RWE, auf die Schwerstarbeit wartet. Unmittelbar nach der Katastrophe informiert sich Prüms Verbandsgemeinde-Bürgermeister Aloysius Söhngen über die Lage. "Das einzig Positive ist, dass Menschen nicht zu Schaden gekommen sind", resümiert der Verwaltungschef und bahnt sich nach seiner schweren Bänderverletzung seinen Weg auf Krücken durch den Ort. "Plötzlich kam ein Stein geflogen"

Vor der Gasthaus "Zum kühlen Grunde" steht derweil Mario Scherberich. Der 21-Jährige hat den Tornado auf einem Trecker sitzend über sich ergehen lassen müssen. "Plötzlich kam ein Stein von einem Durchmesser von sicher 40 Zentimetern auf mich zugeflogen", berichtet der THW-Mann. "Ich hatte wirklich ziemliche Angst", gesteht er. Doch auch Scherberich hat Glück. Der Stein prallt gegen die Windschutzscheibe. Der junge Mann bleibt unverletzt. Hinter dem Lenkrad versteckt wartet er, bis der Spuk vorbei ist. Am härtesten getroffen hat es den in Schlausenbach lebenden niederländischen Künstler Martinus Janssen: "Plötzlich krachte es und es fing an zu schütten. Das ganze Haus hat gebebt. Dann habe ich was fliegen gesehen." Mit seiner Frau und den beiden Kindern bringt sich Janssen im Keller in Sicherheit. Das Haus, in dem er zur Miete wohnt, muss vermutlich abgerissen werden. Es besteht Einsturzgefahr. Fürs erste sind die Janssens im Nachbarort Auw untergebracht. Am Mittwochnachmittag besucht Ministerpräsident Kurt Beck den Ort der Verwüstung. Er zeigt sich tief betroffen. "Es ist furchtbar für die betroffenen Leute, das ist gar keine Frage", betont der Politiker. Dem Auwer Bürgermeister Paul Fuchs überreicht Beck 10 000 Euro Direkthilfe, zudem teilt er mit, dass sich ab sofort zwei Arbeitsgruppen mit den Folgen der Schäden in Schlausenbach und Acht (Kreis Mayen-Koblenz) beschäftigten. Was Schlausenbach angehe, könne womöglich über die Dorferneuerung eine schnelle Lösung gefunden werden. Bürgermeister Fuchs nimmt den Umschlag aus Mainz gerne entgegen: "Wir werden jeden Cent im Ort zweckgebunden einsetzen." Neben der Gemeinde Schlausenbach hat der Tornado übrigens auch in Mützenich gewütet. Dort sind die Schäden allerdings bei weitem nicht so hoch wie in Schlausenbach, wo der Wiederaufbau Wochen und Monate dauern wird.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort