Rinderwahn und verminderte Schuldfähigkeit

BITBURG. Das Amtsgericht Bitburg hat gestern einen 76-jährigen Mann aus dem Saarland wegen mehrfachen Betrugs zu 24 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Der Täter, der die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang einräumte, hatte unter anderem einem Landwirt aus Wolsfeld ein wirkungsloses Wundermittel gegen BSE verkauft.

Wenn es um BSE geht, ist das Medieninteresse groß. Wenn es um die Heilung eines BSE-kranken Tieres geht sowieso. Und wenn dann noch ein Tier für viel Geld von der Seuche befreit wird, ohne vorher daran erkrankt zu sein, dann erst recht. So wie an diesem Mittwochvormittag im Bitburger Amtsgericht, wo sich ein 76-Jähriger Mann aus dem saarländischen Beckingen für mehrere Betrugsfälle vor Gericht verantworten muss. Im Frühjahr 2001 hatte dieser bei einem Landwirt aus Wolsfeld mit seinem selbst entwickelten Testgerät "bei sechs Tieren veränderte elektrische Leitfähigkeit festgestellt", wie es in der Anklageschrift heißt, deshalb BSE diagnostiziert und dem Bauern dann ein wirkungsloses Wundermedikament für umgerechnet 5500 Euro verkauft. Gemeinsam mit dem Landwirt, der anscheinend an die heilenden Fähigkeiten des Saarländers glaubte, wollte der Rentner einen BSE-Forschungshof errichten und gaukelte dafür dem Bauern vor, in absehbarer Zeit Forschungsgelder in Millionenhöhe zu erhalten. Der Landwirt selbst sitzt seit 2003 im Gefängnis, nachdem er sich mit betrügerischen Kreditgeschäften finanziell an diesem Vorhaben beteiligen wollte. "Mein Mandant räumt alles voll mfänglich ein. Es tut ihm leid, und er legt Wert auf die Feststellung, dass er von seiner Forschung überzeugt ist", sagt Otmar Schaffarczyk, Pflichtverteidiger des 76-Jährigen. Dieser ist demnach von seiner Forschung überzeugt - oder wie es der ebenfalls anwesende ärztliche Gutachter aus der psychiatrischen Abteilung des Wittlicher Krankenhauses beschreibt: "Er ist schwer erreichbar für entgegen gebrachte Argumente der Realität." Im Klartext heißt das: Der Rentner, der nach eigener Aussage einen Hochschulabschluss in Maschinenbau sowie Sozial- und Arbeitswissenschaft hat, ist nur "eingeschränkt zurechnungsfähig". "Es ist sicherlich richtig, dass man hier einen spektakulären Prozess erwartet hat", sagt der Pflichtverteidiger in seinem Plädoyer, "aber die Einsicht hat den Prozess verkürzt." Zu dieser Einsicht geführt hat eine zuvor einstündige Unterbrechung des Verfahrens, in der sich Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Richter auf ein für alle Seiten akzeptables Strafmaß einigten. Und während nebenan im Beratungszimmer über das Strafmaß des Angeklagten verhandelt wird, sitzt dieser selbst im Verhandlungssaal, beantwortet Fragen neugieriger Journalisten und spricht dabei von Weltpharmakonzernen, in deren Schussfeld er mit seinen Forschungen "im Dienste der Erde für eine bessere Umwelt" geraten sei, von zahlreichen Schreiben an die Bundesregierung, von Zellstrukturen und von Lobbyismus, der "stärker als alles andere in der Welt geworden" sei. Zwei Jahre auf Bewährung lautet schließlich das Urteil, das der Vorsitzende Richter Udo May verkündet und dessen vergleichsweise mildes Strafmaß er damit begründet, dass der Angeklagte schließlich nicht mehr der jüngste sei und die Taten auch bereits gut fünf Jahre zurücklägen. Um nicht im Gefängnis zu landen, "haben sie eigentlich nichts weiter zu tun, als sich straffrei zu verhalten", richtet sich Richter May abschließend an den Angeklagten. Ob der überzeugte Wissenschaftler sich daran hält und für dieses "entgegen gebrachte Argument der Realität" erreichbar ist, bleibt indes abzuwarten. Immerhin wäre auch dieser siebte (!) Versuch, die Verhandlung vor dem Amtsgericht Bitburg endlich zu beginnen, beinahe an einem Attest gescheitert, das der 76-Jährige kurzfristig eingereicht hatte und das ihm Verhandlungsunfähigkeit bescheinigen sollte. Dass er unabhängig davon ohnehin nicht an einer Verhandlung teilnehmen werde, hatte der Rentner aus dem Saarland dem Gericht schon vorher schriftlich mitgeteilt, weshalb ihn der Vorsitzende Richter May sicherheitshalber von der Polizei zu Hause abholen ließ.

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