Schnecken-Post für Mathilde

PRÜM. Schotterpiste als Lebensraum: Auf dem alten Bahnhofsgelände hat sich eine Reihe seltener Pflanzen und Tiere angesiedelt. Beate Jacob aus Schönecken will das Biotop erhalten, die Chancen stehen allerdings schlecht.

"Da haben wir eine, na also", ruft Beate Jacob beim Spaziergang mit dem TV und ihrem Hund Moritz über die alte Schottertrasse am Bahngelände. Der Anlass für ihre Freude: Eine Weinbergschnecke. Rund 50 der geschützten Kriecher hat die Biologin aus Schönecken dort bisher entdeckt. Außerdem mehr als 60 Pflanzenarten. Darunter drei Sorten von Königskerzen (weiß, gelb, schwarz), den tiefblauen "Natternkopf", die "grasblättrige Platterbse" und ein Gewächs mit dem duften Namen "stinkender Storchschnabel". Und das sei nur das Ergebnis eines einzigen Streifzugs mit Moritz, die weiteren Kleintiere auf dem Gelände habe sie bisher noch nicht näher untersucht. Ihr Fazit lautet dennoch: Das Gelände sei ein "ökologisch hochwertiges und voll entwickeltes Sekundärbiotop. Es besticht vor allem durch seine Artenvielfalt auf relativ wenig Raum." "Sekundär", weil man diese Biotope nicht in der unberührten Natur findet, sondern dort, wo der Mensch zunächst aktiv war und dann das Gelände wieder sich selbst überlassen hat - etwa in alten Steinbrüchen oder an stillgelegten Bahntrassen wie in Prüm. Genau dort aber soll in vermutlich zwei Jahren kräftig gebaut werden. "Und dann werden Nägel mit Köpfen gemacht", fürchtet Naturliebhaberin Beate Jacob. Für "ihr" Biotop würde das dann das Ende bedeuten. Ob sie wirklich glaubt, dass sie etwas bewirken kann? Sie zuckt mit den Schultern. "Man tut, was man kann", sagt sie. "Ich will vor allem das Bewusstsein dafür wecken." Klar, Gewerbe und Arbeitsplätze, das sei alles wichtig. "Aber ohne Natur sind wir gar nichts. Leider haben die meisten das vergessen." Ob da ihr belehrendes Erinnerungsschreiben an den Prümer Stadtrat, verfasst aus der Perspektive der Tiere und Pflanzen (Titel: "Wollt ihr wirklich unseren Tod?") tatsächlich helfen kann, ist zu bezweifeln. Auch einen Gruß von "Helix Pomata" - der Weinbergschnecke - hat Beate Jacob mitgeschickt.Naturschutz ja, "aber nicht dort"

Die hochgezogenen Augenbrauen der Adressaten kann man sich dabei bestens vorstellen. Und so richtig angekommen scheint der Brief dann auch wirklich nicht zu sein. Stadtbürgermeisterin Mathilde Weinandy jedenfalls winkt ab: "Ach, Kinners. Ich finde das ja auch gut und bin auch fürs Erhalten von Kräutern und allem Möglichen. Aber an dieser Stelle nicht." Man könne das Rad nicht zurückdrehen, meint die Bürgermeisterin. Jawohl, Ausgleichmaßnahmen werde es geben, "jede Menge". Am alten Bahndamm und an anderen Orten, wo zum Beispiel Laub- statt Fichtenwald aufgeforstet werden könne. "Aber da wird sich die Landespflege drum kümmern." "Ausgleichmaßnahmen? Das ist nicht auszugleichen", sagt Beate Jacob. "So ein Biotop kann man nicht einfach irgendwo wieder hinzaubern." Demnächst wird sie Führungen über das Gelände anbieten, so lange dort noch etwas wächst und kreucht. Termine für Biotop-Führungen: Sonntag, 17. Juli, 17 Uhr, Freitag, 22. Juli, 19 Uhr. Treffpunkt: Prümbrücke hinter dem Bahnhof. Mehr unter Telefon 06553/900642.

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