"Spässe Barthel" und die Hühneraugen

PRÜM. (kth) In "Alt Prüm" gab es eine ganze Anzahl von seltenen Käuzen und originellen Personen, um die sich so manch amüsantes Anekdötchen rankt. "Spässe Barthel"und seine bessere Hälfte "Marjänn" sind zwei davon.

 Unweit der Bachstraße (Foto) war das Prümer Original "Spässe Barthel" in der Unterbergstraße zu Hause. Foto: Archiv Kaspar Thürwächter

Unweit der Bachstraße (Foto) war das Prümer Original "Spässe Barthel" in der Unterbergstraße zu Hause. Foto: Archiv Kaspar Thürwächter

Ihre besten Jahre erlebten die beiden in der Abteistadt in der Zeit um den Ersten Weltkrieg und auch noch ein gutes Dutzend Jahre nach dessen Ende. Mit Familiennamen hieß das in der Unterbergstraße wohnende kinderlose Paar Alff, aber das wussten damals noch lange nicht alle Prümer. In jungen Jahren hatte Barthel das Schreinerhandwerk erlernt, mit besonderem Talent zum Drechseln. Später war er viele Jahre Amtsbote, Ausrufer und Feldhüter gewesen und hatte seine Arbeit jeweils sehr ernst genommen. Mit strenger Miene erklärte Barthel immer wieder "Als Amtsbote habe ich Vollzugs- und als Feldhüter Polizeigewalt." Im Alter entwickelte Barthel sich mehr und mehr zum Sonderling. Er war ein großer, etwas gebeugt gehender Mann, der auf der Straße immer eine Zipfelmütze trug - sein Markenzeichen und stets eine Handarbeit seiner Frau. Sie hatte die Mütze aus kräftigem Tuch zusammengenäht. War die Mütze neu, dann reckte sie steil ihre Spitzen empor und ließ dadurch den ohnehin großen schmalen Mann noch länger erscheinen. Mit zunehmendem Alter wurde der einst stolze Feldhüter immer wehleidiger und litt an Krankheiten, die seine Freunde aber für eine Einbildung hielten. Häufig trug Barthel ausgelatschte Filzpantoffel, weil seine Füße von Hühneraugen geplagt wurden. Dann klagte er immer "O je, meng Krihoggen (Hühneraugen)" und fragte die Straßenpassanten "west irr keen Möttel dajehnt", was so viel bedeutete wie, wisst ihr keine Hilfe dagegen. Zur Zeit des Prümer Herbstmarktes war es, dass Barthel unerwarteten Besuch von drei ihm unbekannten jüngeren Herren bekam, die alle dunkel und vornehm gekleidet waren. Die Besucher gaben vor, Ärzte zu und von Barthels Fußleiden erfahren zu haben. Die "Ärzte" erboten sich, helfen zu wollen, selbstverständlich unentgeltlich. Für ein namhaftes Institut sollten sie auf dem Gebiet der Fußpflege neue Erfahrungen sammeln. So rief Barthel denn nach "Marjänn", die den Herren Stühle anbot und einen Schnaps reichte. Die Heilung des Fußleidens

Schnell waren die beiden Alten mit der Behandlung einverstanden, ahnten aber nicht, dass sie das Opfer übermütiger Zechbrüder werden sollten. Viel Wasser wurde erhitzt, in eine Wanne gegossen und Barthel musste zunächst ein längeranhaltendes Fußbad nehmen, während die Herren noch etliche Schnäpse tranken. Die Pseudodoktoren hatten sich ihrer Oberröcke entledigt. Mit Kernseife und kräftiger Wurzelbürste begannen sie jetzt ihre so genannte Fußpflege. Als die strapaziöse Badekur endlich vorüber war, zeigte sich die Wirkung des heißen Wassers. Krebsrot waren die von wuchernder Hornhaut entstellten Riesenfüße, die eine solche Prozedur noch nie erlebt hatten. In einer Tasche hatten die Fußpfleger verschiedene Scheren, Messer und eine Kneifzange mitgebracht. Mit diesen Werkzeugen rückten sie Barthels Fußnägeln und Quälgeistern energisch zu Leibe und gingen hier wahrlich nicht zimperlich mit ihrem Patienten um. Mochte dieser sich auch noch so sehr mit Worten und strampelnden Bewegungen zur Wehr setzen, es nützte nichts. Die jungen Männer hielten Barthel eisern fest und ruhten nicht, bis sie die Behandlung abgeschlossen hatten. Noch schnell einen Schnaps, dann hatten die "Wohltäter" plötzlich sehr eilig und brachen in übergroßer Hast auf. Vorher verordneten sie ihrem Patienten aber noch Bettruhe und der Frau verboten sie, nur ja nicht über die Behandlung zu sprechen. Diese sei ja unentgeltlich gewesen, und man könne sich sonst nicht des Andranges anderer Leidensgenossen erwehren. Indessen ist heute nicht bekannt, ob der Streich ein juristisches Nachspiel hatte. Noch ehe der Zweite Weltkrieg ausbrach, schlug für "Spässe Barthel" und seine "Marjänn" die Abschiedsstunde.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort