Von wegen geschenktem Gaul…

Da war eine Gruppe engagierter Frauen alles andere als positiv überrascht: Ihre Marmeladen-Spenden für die Bitburger Tafel wurden von einem Lebensmittelkontrolleur moniert. Der Grund: Inhaltsstoffe, Haltbarkeitsdatum und mehr waren nicht, wie es das Lebensmittelgesetz verlangt, auf den Gläsern deklariert.

 Sieht zwar lecker aus, geht aber leider nicht: Marmeladen, die wie die auf unserem Foto nur mit der Sorte und dem Einfülldatum beschriftet sind, dürfen wegen der Vorgaben im Lebensmittelgesetz nicht für die Bitburger Tafel gespendet werden. TV-Foto: Katharina Hammermann

Sieht zwar lecker aus, geht aber leider nicht: Marmeladen, die wie die auf unserem Foto nur mit der Sorte und dem Einfülldatum beschriftet sind, dürfen wegen der Vorgaben im Lebensmittelgesetz nicht für die Bitburger Tafel gespendet werden. TV-Foto: Katharina Hammermann

Bitburg. "Wenn ich meinem Nachbarn ein Glas Marmelade schenke, brauche ich doch auch nicht drauf zu schreiben, wie viel Zucker und wie viel Fruchtsaft drin ist oder wie lange das eingekochte Obst haltbar ist", sagt Felix Kandels. Seit Jahren spendet der Bitburger einer Gruppe sozial engagierter Frauen Obst aus seinem Garten, woraus die Frauen Marmelade kochen, die sie dann für einen guten Zweck verkaufen. Etwa für Straßenkinder in Kolumbien und Aidskranke in Malawi. Die Bitburger Tafel, die seit Dezember vergangenen Jahres Essensspenden an sozial schwache Menschen verteilt (der TV berichtete), geriet dabei schnell ins Visier der karitativ denkenden Frauengruppe. "Die Kyllburger Frauengemeinschaft war sofort angetan von der Idee, Marmeladen für die Tafel zu spenden", sagt Rosemarie Kandels aus Malberg, Schwägerin des Bitburger Obstspenders. Fortan wurde Obst gesammelt, tagelang eingekocht, mit Servietten überm Glasdeckel noch hübsch verpackt, und die Sorte war auf einem Schildchen am Glas vermerkt.

Marmeladen-Spenden kommen super an

So erhielt die Bitburger Tafel dann Lieferungen der fleißigen Frauen von teils hundert Gläsern und mehr pro Spende.

Ein willkommenes Angebot, das die knapp 200 Notleidenden, die die Bitburger Tafel von Woche zu Woche besuchen, gerne annehmen. "Insgesamt haben 400 Menschen bei uns den Nachweis der sozialen Bedürftigkeit erbracht, aber die kommen nicht alle jede Woche. Dafür steht hinter jedem der kommt, meist noch eine Familie von zwei, drei Leuten", erklärt Werner Jansen, ehrenamtlicher Mitarbeiter bei der Tafel. So gingen die Marmeladen-Spenden über Monate zunächst problemlos durch die Essensausgabe, bis ein Lebensmittelkontrolleur die Gläser monierte. Dort müssen nach Lebensmittelgesetz unter anderem die Inhaltsstoffe, das Mindesthaltbarkeitsdatum, der Name des Herstellers, das Abfülldatum und mehr draufstehen. "Konfisziert hat der Kontrolleur die Spenden der Frauen nicht", sagt Jansen. Aber seither müssen die fleißigen Frauen sich an die Vorgaben halten.

"Einige Frauen haben zuerst gesagt: Mein Gott, wenn das Spenden jetzt so ein Aufwand wird, dann lassen wir es lieber", erzählt Rosemarie Kandels. Auch der Bitburger Obstspender war stutzig: "Normalerweise sagt man doch: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul." Kandels betont, dass Lebensmittel-Vorschriften im Warenhandel auch seiner Ansicht nach sinnvoll seien, doch "hier handelt es sich doch um eingekochte und somit hochsterile Fruchtsäfte." Er fürchtet: "Derartige Willkürakte könnten zur Konsequenz haben, dass solche Hilfsaktionen künftig durch den bürokratischen Aufwand verhindert werden."

Doch inzwischen überwiegt das Verständnis für die Bedürfnisse der Notleidenden: "Die armen Leute können ja nichts für diese Vorschriften", sagt Rosemarie Kandels, die die Deklarierungs-Vorschriften allerdings auch zunächst als "reine Schikane" empfand. Schließlich stehen die Frauen fast einen Tag hinterm Herd, um 25 Gläser zu fertigen - und: "In unseren Küchen wird sauber gearbeitet", sagt Rosemarie Kandels stellvertretend für die Kyllburger Frauengruppe. "Wir sind ja eine Lebensmittel-Ausgabe und werden entsprechend auch mit Recht kontrolliert", sagt Jansen von der Tafel. Aber auch die Verwunderung der engagierten Frauen kann er verstehen. Sein Kompromiss: "Wir bieten an, dass wir die Etiketten für die Marmeladen-Spenden fertigen." Denn auf die möchte die Tafel nur ungern verzichten. Jansen: "Die Gläser der Frauen sind einfach sehr beliebt."

Meinung

Gesetz ist Gesetz - da hilft nichts

Wer helfen will und dafür große Teile seiner Freizeit hergibt, darf zu Recht erwarten, dass ihm dabei nicht auch noch Steine in den Weg gelegt werden. Ein solcher Stein sind die Vorschriften des Lebensmittelgesetzes, die auch für Marmeladen-Spenden gelten, die eine Gruppe engagierter Frauen in tagelanger Arbeit für die Bitburger Tafel fertigt. Schließlich kostet die ordnungsgemäße Beschriftung zusätzlich Zeit, ohne erkennbaren Nutzen. Der Ärger der spendenden Frauen ist also verständlich. Dass das Lebensmittelgesetz aber grundsätzlich dem Verbraucherschutz dient, steht ebenfalls außer Frage. Und so haben Bitburger Tafel und Lebensmittelkontrolleure gar keine andere Wahl, als auf die Einhaltung solcher Vorschriften zu drängen. Gesetz ist eben Gesetz. Und Gesetze haben es an sich, dass sie neben ihrem großen Ziel - etwa dem Verbraucherschutz - in Einzelfällen auch schon mal seltsame Blüten treiben. Doch so lange es im Lebensmittelgesetz keinen Sonderpassus für Marmeladen-Spenden gibt, wird wohl kein Weg daran vorbei führen, alles vorschriftsmäßig zu deklarieren. Dass die Tafel anbietet, das vorschriftsmäßige Beschriften der Gläser zu übernehmen, ist ein guter Kompromiss - so brauchen die Bedürftigen hoffentlich nicht auf die beliebten hausgemachten Marmeladen zu verzichten. Denn in Selbstgemachtem steckt schließlich auch Herz. d.schommer@volksfreund.de

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