Wassermann im Trockenen

JÜNKERATH. "Ich bin raus": Der Werkleiter der Verbandsgemeinde (VG) Obere Kyll, Heinz Reifferscheid, hat nach 48 Dienstjahren den Ruhestand angetreten.

 Halbe Brille, voller Durchblick: typisch Heinz Reifferscheid. Aber so wird man ihn - zumindest amtlich - nicht mehr sehen.Foto: Fritz-Peter Linden

Halbe Brille, voller Durchblick: typisch Heinz Reifferscheid. Aber so wird man ihn - zumindest amtlich - nicht mehr sehen.Foto: Fritz-Peter Linden

Donnerstag, 18.05 Uhr, die Sitzung des VG-Rats ist zu Ende. Und damit auch die Dienstzeit von Heinz Reifferscheid. Zum letzten Mal hat er seinen Jahresabschluss vorgelegt. Und zum letzten Mal hat der Rat ihn - keine Überraschung - einstimmig abgesegnet. Der Saal füllt sich: Viele Kollegen und Weggefährten aus 48 Jahren, darunter etliche Alt-Ortsbürgermeister, wollen bei Reifferscheids Verabschiedung dabei sein. Was offiziell "Altersteilzeit" heißt, bedeutet im Klartext: "Ich bin raus. Mein Amt bin ich los." Jetzt will er sich "zunächst einmal sortieren". Privat, versteht sich. Alles im Fluss an der Oberen Kyll

Dienstlich war das nie nötig: Bis ins kleinste Detail vorbereitet hat er seine Berichte im Rat vorgetragen, immer im Stakkato-Rhythmus, die Halbbrille tief im Gesicht und stets in der Lage, spontane Zwischenfragen zu parieren. Und immer durfte man sich fragen, ob wirklich alle Zuhörer das komplizierte Regelungs- und Zahlenwerk des Herren über 180 Kilometer Wasserleitung verstanden hatten. Egal: Sie haben ihm immer vertraut. "Deine Kompetenz ging so weit", sagt Ratsmitglied Karl-Heinz Köber, "dass du einer der wenigen warst, die hier im Haus praktisch gemacht haben, was sie wollten". Und das nicht nur zur Arbeitszeit: "Ich geh' ja schon spät hier raus", sagt Bürgermeister Werner Arenz. "Aber er geht noch später." Einmal sogar wurde Reifferscheid deshalb von der Polizei aufgestöbert: Besorgte Bürger hatten die Beamten alarmiert, weil im Rathaus spät abends noch Licht brannte. "Von der Pike auf", sagt Arenz, habe Reifferscheid seinen Beruf gelernt, und alle Lehrgänge "mit Prädikatsexamen" abgeschlossen. Eintritt in die Lehrzeit: 1955, im Geburtsjahr des VG-Bürgermeisters. 1975 der Posten als Chef der millionenschweren VG-Werke, der teuersten Abteilung im Haus: Tiefbrunnen, Hochbehälter, Kanäle und Kläranlagen. Ohne Reifferscheid hätte die Obere Kyll nicht ein so sauber funktionierendes Wasser-Versorgungsnetz. Und ohne ihn, auch das sagt Arenz, müssten die Bürger vermutlich deutlich höhere Gebühren zahlen. Der Job des obersten VG-Kanalarbeiters ist weder glamourös noch einfach. Reifferscheid erzählt von nervenaufreibenden juristischen Verfahren und Konflikten mit buchstäblichen Brunnenvergiftern. Eine schwierige Aufgabe also für den neuen Werkleiter Richard Ehlen. "Jeder ist ersetzbar", gibt Reifferscheid zurück, "so einfach ist das. " Dass er seinen Nachfolger bestens vorbereitet hat, davon kann man ausgehen. Und falls der dennoch Rat brauche, stehe er selbstverständlich zur Verfügung. "Ich habe früh gesehen, dass wir ein Dienstleister sind. Und ich habe nie den Fehler gemacht, zunächst meine Unzuständigkeit zu überprüfen." Dafür habe er es andererseits nie darauf angelegt, "es allen recht zu machen." Aber ein Mann, an dem nichts auszusetzen sei, der sei langweilig. Seinen beiden Bürgermeistern ist er aus unterschiedlichen Gründen dankbar: Bei Otto Friedrich habe er sehr viel gelernt. Und sich ein dickes Fell zugelegt: "Wer diese Zeiten überlebt hat, hat gute Chancen, sehr alt zu werden." Werner Arenz indessen habe ihm viele Freiheiten gelassen. Und auch wenn Abwasser so gar nicht dessen Metier sei, wisse er doch zumindest, "dass das Wasser aus dem Kranen kommt." Ab sofort aber werde seine Frau Ursula den Takt angeben, sagt Reifferscheid, "die ist schon in den Startlöchern. Sie war so oft die Leid tragende." Apropos Startlöcher: Sein Engagement für die Leichtathleten der Gerolsteiner LGV wird Heinz Reifferscheid fortsetzen. Derzeit trainiert er dort unter anderem die beiden Deutschen Jugendmeister Christina Mohr und Marco Kowalinski. Auch er selbst will wieder öfter laufen. Ruhestand? "Ich habe so viele Angebote, wenn ich nur die Hälfte davon annehme, habe ich noch weniger Zeit als bisher."

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