Zu eng, zu steil, zu hoch

PRÜM. "Prüm im Rollstuhl erleben" - das hatten sich 60 Jugendliche eines europäischen Sportprojekts für einen Tag auf die Fahnen geschrieben. Mit geliehenen Rollstühlen machten sie sich auf den Weg. Ihre Erfahrungen diskutierten sie mit Bürgermeister Aloysius Söhngen und Stadtbürgermeisterin Mathilde Weinandy.

"Eine super Idee. Die tollen Erfahrungen werde ich nie vergessen", bilanziert Federica Genova aus Italien das Tagesprojekt. Die 18-jährige Sizilianerin gehört zu den 54 nicht behinderten Jugendlichen aus Deutschland, Litauen, Italien und Irland. Jeweils drei Sportler aus Deutschland und Litauen aus dem EU-Kader mit dem Motto "Soziale Integration durch Sport" sind Rollstuhlfahrer. Einer von ihnen ist David Baltes aus Obermehlen. Der 21-Jährige erlebt Prüm täglich als großes Handicap: "Manche Bürgersteige sind einfach zu hoch, und in viele Geschäfte kommt man ohne fremde Hilfe nicht rein. Ins Kino kann ich nur, wenn Freunde mitgehen." Viele Jugendliche meckern über die engen und hohen Bürgersteige. Oft würden Blumenkübel und Werbeplakate den Weg zusätzlich blockieren. Umrunden der Hindernisse berge die Gefahr des Umkippens auf die Straße. In der Diskussion erklärt Bürgermeister Söhngen: "Die Bürgersteige sind öffentlich und dürfen mit nichts zugestellt werden." Bei den betroffenen Geschäftsinhabern will er um Verständnis werben. Weinandy schlägt vor: "Vielleicht kann man die Bordsteine absenken oder die Gehwege auf der einen Straßenseite schmal und auf der anderen Seite breit anlegen. Das wäre auch für Mütter mit Kinderwagen besser." Ilona Heck, Organisatorin der EU-Projekts und Vorstandsmitglied des Habscheider Sportvereins, fragt: "Könnten Bürgersteige nicht nur optisch angelegt werden?" Die Antwort von Söhngen: "Es existieren Planungen, die ganze Innenstadt umzubauen. Problematisch ist die sehr unterschiedliche Distanz der Häuser. Es werden Engpässe bleiben. Außerdem ist die Hahnstraße eine Bundesstraße mit Gegenverkehr." Der junge Italiener Francesco hat in Prüm auch positive Erfahrungen gemacht: "Die Bevölkerung war sehr nett und hilfsbereit." Marius Ivanauskas aus Litauen kritisiert: "Wir haben in der ganzen Innenstadt keine Behindertentoilette gefunden. Das ist in meiner Heimatstadt besser geregelt." Stadtchefin Weinandy bekennt: "Selbst ins städtische Rathaus und in die Touristinfo kommt man nur durch den Hintereingang zur Behindertentoilette, und dann sind innen immer noch zwei Stufen zu überwinden. Das ist das Allerletzte. Da muss was gemacht werden." Söhngen beruhigt dagegen: "Wir suchen nach einer Lösung." Begeistert ist Weinandy von dem Hinweis, dass der deutsche Behindertenverband für fünf Euro einen Universalschlüssel zu Behindertentoiletten anbietet: "Dann wäre die Gefahr von Vandalismus gebannt." Sie nimmt den Schlüssel "als Anregung" aus der Diskussion mit.Lob fürs barrierefreie Jugendgästehaus

Ein anderes Problem benennen Daiva Klimavieciene aus Litauen und Niall Govers aus Irland: "Am oberen Hahnplatz, unterhalb der Eisdiele, parken die Leute so, dass für Rollstuhlfahrer kein Durchkommen ist. Dann bleibt nur der gefährlichere Weg über die Straße." Söhngen verspricht, sich darum zu kümmern. Durch Abtrennung mit einer Kette sei dieses Problem rasch zu lösen. Freude herrscht bei den Jugendlichen über das moderne und barrierefreie Jugendgästehaus. Die Teilnehmer des Sportprojekts, organisiert vom Habscheider Sportverein, waren dort die Woche über untergebracht. Das Projekt war der Start in ein Vier-Jahres-Projekt (der TV berichtete mehrmals). Im nächsten Jahr treffen sich die 60 Jugendlichen mit ihren 12 Betreuern in Italien. Aus dem Topf "Jugend für Europa" wurde der Auftakt in Prüm mit 40 000 Euro gefördert. Organisatorin Heck: "Um die Gesamtkosten zu decken, haben wir für weitere 10 000 Euro Sponsoren gefunden und vorab eine Tombola veranstaltet."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort