Klotz am Bein

Zu heiraten, scheint für Unverheiratete der Inbegriff von Freiheitsaufgabe zu sein, der Zustand der Ehe dem der Haft und Folter von Edmont Dantes, dem hinter Gittern verschollenen Grafen von Monte Cristo, zu entsprechen.

Warum sonst lassen sich die sogenannten guten Freunde von angehenden Bräuten und Bräutigamen so viele unlustige Dinge einfallen, nur, um dem jungen Mann oder der jungen Frau den Abschied von der Bindungslosigkeit auf Teufel komm raus zu erschweren. Nun gut, ich bin als Biene verkleidet durch die Mainzer Innenstadt gejagt worden. Aber die ganze Chose hatte Hand und Fuß, der Tag eine Dramatik und Dynamik, die sich bis zum Finale steigerten. Und: Mir wäre der Abschied vom Junggesellinnen-Dasein auch ohne diesen Tag nicht schwergefallen. Wie soll man bloß auf die vor allem männlichen Gesellschaften reagieren, deren einziger Geistesblitz darin besteht, den Bräutigam in ein Frauenkleid zu stecken und durch Trier zu scheuchen? Die Stadt, in der der junge Mann oft wohnt oder arbeitet und dabei auch gleich erkannt wird? Was soll der Abend noch bringen, wenn der mit Marilyn-Monroe-Perücke und pinkfarbenen High-Heels in der Fußgängerzone herumwackelnde Fast-Ehemann um 17 Uhr nicht mehr auf den Beinen stehen kann? Wie soll ich eine als Janis Joplin verkleidete Gestalt mit Dreitagebart abends beim Bier in der Kneipe noch lustig finden, wenn ich die Heulboje an diesem Tag schon drei Mal grölen gehört habe? Zumal, wenn die Anmache immer die gleiche - unerträgliche - ist. Da ist dann weniger oft mehr. Mein Leidensgenosse damals in Mainz war mit seinen Kumpels einfach nur gut drauf. Und kaum zu sehen, zierte sein Fußgelenk - symbolisch für den neuen Lebensabschnitt - eine Eisenkette mit einem schweren Stück Holz: ein echter Klotz am Bein!

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