Das Leid und die Leitung

Sie kleben mit ihren Nasen an der Scheibe und kontrollieren 700 Kilometer Hochspannungsleitungen und 200 Masten. Die jährliche Kontrolle mit dem Hubschrauber war für die RWE-Mitarbeiter in diesem Jahr durch das schlechte Wetter der vergangenen Wochen äußerst schwierig. Der TV war bei einem stürmischen Flug mit an Bord.

Trier/Bitburg/Wittlich. Ein skeptischer Blick auf den Windsack. Der tanzt, bäumt sich auf, will sich nicht beruhigen. Der Pilot kommt aus dem Tower, schüttelt den Kopf. Auf dem Radar hat eine Regenwand die nächste schon im Schlepptau. "Da müssen wir wohl noch ein bisschen warten. Das bringt so nichts", sagt Achim Züscher zu den beiden RWE-Mitarbeitern Rainer Knodt und Mark Kollmann. Die beiden machen jedoch am Himmel schon einen kleinen hellen Fleck aus. Ihren Optimismus haben sich die beiden Freileitungsmonteure bewahrt - trotz des Dauerregens der vergangenen Wochen. Ihren ersten Flug an diesem Tag mussten sie wegen des Wetters bereits abbrechen. "Normalerweise brauchen wir anderthalb Wochen, um alle Hochspannungsleitungen abzufliegen", sagt Knodt. In diesem Jahr sieht das anders aus. Das anhaltend schlechte Wetter machte das Abfliegen sehr schwierig. Alle Leitungen im ehemaligen Regierungsbezirk Trier werden einmal im Jahr mit dem Hubschrauber kontrolliert und zusätzlich noch einmal abgewandert und von unten begutachtet.Der helle Fleck am Himmel wird größer. "Also versuchen wir es wieder", sagt Pilot Züscher, kippt seinen letzten Schluck Kaffee runter und drückt seine Zigarette aus. Das eingespielte Team läuft zum Hubschrauber, der auf dem Flugplatz in Föhren zwischengelandet war. Während Knodt links neben dem Piloten Platz nimmt, sitzt Kollmann direkt hinter seinem Kollegen. Dann hebt der Helikopter ab. "Wir versuchen, möglichst gegen den Wind zu fliegen", erklärt der Pilot. Gegen den Wind zu fliegen, bedeutet in diesem Moment Richtung Wittlich. "Das trifft sich gut, den Bereich haben wir noch nicht", sagt Kollmann und faltet eine große Karte auseinander. Die bunt markierten Stellen dokumentieren die bereits abgeflogene Route. "Es geht los. Geh' da mal weiter runter", ruft Knodt per Headset dem Piloten zu. Die beiden Freileitungsmonteure kleben am Fenster und schauen sich die Umspann-Anlage in Wittlich-Wengerohr genau an. Von dort geht es an den Hochspannungsleitungen weiter in Richtung Bernkastel. Mit maximal 25 Kilometern pro Stunde und einem Abstand von etwa fünf Metern zur Leitung. "17 - einmal grün!", ruft Kollmann. "18 - nix!", entgegnet Knodt. Ein Austausch in einer fremden Sprache. "Dreh bitte noch mal um"

Die beiden sind hoch konzentriert. Jeder noch so kleine Schaden an einer Leitung, jedes Vogelnest und jeder Baum, der zu dicht an den Leitungen steht - alles wird notiert. Statt durch die Luft zu gleiten, hüpft der Hubschrauber stellenweise bedenklich. "Normalerweise ist so ein Flug viel ruhiger", entschuldigt sich der Pilot bei der TV-Reporterin. Der plötzliche Seitenwind macht ihm zu schaffen. Er muss schneller fliegen, um nicht gegen die Leitungen gedrückt zu werden. Doch das erschwert das genaue Kontrollieren. "Stopp! Da war was. Dreh bitte noch mal um", ruft Kollmann. Der Pilot fliegt zurück. Entwarnung. Die weiße Stelle war nur Vogelkot. Während die RWE-Mitarbeiter die Leitungen nicht aus den Augen lassen und stellenweise Fotos machen, verfinstert sich die Miene von Achim Züsch: "Da links kommt schon die nächste Regenfront. Das sieht schlecht für uns aus." Der Hubschrauber dreht ab, versucht dem schlechten Wetter etwas zu entkommen. "Versuchen wir unser Glück mal in Richtung Laufeld", schlägt Knodt vor. Daraus wird nichts. Zu dem starken Wind kommt noch Regen hinzu und prasselt gegen die Scheibe. "Das bringt nix. Ich kann nichts mehr erkennen", sagt Kollmann. Sein Kollege sieht das ähnlich. Züsch landet den Hubschrauber auf einem Feld. "Vielleicht wird es ja gleich besser", murmelt er. Doch ein Blick gen Himmel zerstört alle Hoffnung. Das endgültige Aus für diesen Tag kommt von der Flugwetterberatung in Frankfurt, mit der der Pilot telefoniert. "In den nächsten Stunden ist mit keiner Beruhigung zu rechnen", berichtet Züsch. "Das war's dann wieder für heute. Das ist wirklich nicht unser Jahr", sagt Knodt.

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