Qualität kontra Pleitegeier

BITBURG/PRÜM. (ako) 2006 soll die neue Eigenkapitalverordnung der Kreditinstitute, kurz "Basel II" genannt, in Kraft treten. Doch Banken, Sparkassen und Unternehmen müssen sich schon jetzt auf die Veränderungen einstellen.

Einen "großen Aufklärungsbedarf zwischen Verunsicherung und Chance" angesichts von Basel II stellen Reinhold Maas, Vorstandsmitglied der Kreissparkasse Bitburg-Prüm, und Andreas Theis vom Vorstand der Volksbank Bitburg fest. Vor allem der Rückzug der Großbanken aus dem Kreditgeschäft, nicht zuletzt bedingt durch die steigende Zahl von Unternehmensinsolvenzen und Kreditausfälle, haben die Angst bei kleineren und mitteleren Firmenkunden geschürt. Bislang haben sich jedoch erst 40 Prozent der in der Region betroffenen Firmeninhaber über das Thema informiert, rund 20 Prozent haben sich vermutlich noch gar nicht damit beschäftigt.Ein Fehler, denn: "Die Unternehmen müssen frühzeitig geeignete betriebswirtschaftliche Instrumentarien zur Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse und Bonitätseinschätzung einsetzen, um eine gute Ratingnote zu erhalten", sagt Maas. Es sei falsch zu glauben, Bilanzen seien nur fürs Finanzamt da. Regelmäßige und zeitnahe Einreichung von aussagekräftigen Unterlagen zur Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse, Offenheit in Bewertungsfragen und Zuverlässigkeit bestimmten das Rating. Mit einer entsprechenden Note sei auch in Zukunft die Versorgung des Mittelstandes mit ausreichenden Finanzmitteln gewährleistet, versichert Maas.Die beiden Bankchefs kennen ihre "Problemkinder". Dazu gehören Sektoren, die in der Region stark vertreten sind: unter anderem Hotellerie und Gastronomie, Landwirtschaft, Autohandel, Bauwirtschaft. Niemand werde aber bei Volksbank oder Kreissparkasse nur auf Grund seiner Branchenzugehörigkeit abgewiesen. Generell setzen die Institute vor Ort auf die gewachsene Vertrauensbasis.Die so genannten qualitativen Faktoren spielen beim Basel II-Rating eine wesentliche Rolle. Sie leiten sich aus Aspekten wie Unternehmensführung, Planung und Steuerung, Marktlage und Produkten sowie der Steuerungskette ab. Vor allem bei Inhaber geführten Familienbetrieben herrsche hier Nachholbedarf: "Da fehlt auf Grund der herkömmlichen Strukturen und Lebensläufe oft eine schlüssige Nachfolgeregelung, fundiertes betriebswirtschaftliches Know-how und die Einsicht in die Notwendigkeit, nicht als unersetzbarer Alleinverantwortlicher zu handeln", bedauert Maas. Auch eine vernünftige Haftungsregelung sei oft nicht vorhanden. Die verbreitete Sitte, die Ehefrau für das Marketing abzustellen, "nur weil sie Schreibmaschine kann", sei ebenfalls ein schwer wiegender Managementfehler. Denn Marketing gehöre zur Kernkompetenz eines Betriebes.Rating als Chance für intensive Zusammenarbeit

Sind diese Voraussetzungen jedoch erfüllt, steht einer fruchtbaren Zusammenarbeit von Kreditinstituten und Firmen unter Basel II-Bedingungen nichts im Weg.Transparenz heißt das Zauberwort, die im Mittelstand übliche Zurückhaltung ist out. Maßstab ist die Offenheit börsennotierter Unternehmen. "Wichtig ist, nicht erst bis zum Liquiditätsengpass zu warten", beschreibt Theis das bei Volksbank und Kreissparkasse ähnliche Prozedere. "Frühzeitig und permanent - bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist - müssen wir gemeinsam mit dem Firmenkunden die Unternehmensstrategien entwickeln. Wir verstehen uns nicht nur als reiner Geldgeber, sondern auch als Berater und Mitentscheider." Das müssen die Kreditinstitute laut Theis tun, da auch sie immer Fremdkapital einsetzen, das sie treuhänderisch zu vermehren haben. Vor allem bei jungen Mittelständlern sei dafür die Einsicht da. Sie nutzten das Rating als kostenlose Unternehmensberatung. "So verstanden stellt Basel II eine Chance im Zusammenspiel zwischen Kunde, Bank und Steuerberater dar."Es sei eine Illusion zu glauben, dass einfacher an Geld zu kommen sei, wenn man Basel II umgeht und sich Risikokapital von anderen Firmen oder Privatanlegern besorgt, sagt ein international tätiger Vermögensberater aus der Region: "Im Gegenteil, bei den Anlegern handelt es sich um erfolgreiche Unternehmer, die noch intensiver als die Banken gucken, wo der Hund begraben liegt. Die wollen noch mehr Nachvollziehbarkeit, höhere Renditen und zumeist Entscheidungsbefugnis."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort