"Auf einmal total umgekrempelt"

GILLENFELD. Im Mobilfunk-Streit in Gillenfeld ist noch keine Entscheidung gefallen. Die "Initiative der besorgten Bürger um die Holzmaarstraße 1" hat 542 Unterschriften gegen die Errichtung eines dritten Funkmasts im Ortskern gesammelt.

"Noch ist keine Entscheidung gefallen", sagt Richard Hesse von der "Initiative der besorgten Bürger um die Holzmaarstraße 1", und das drückt noch einen Funken Hoffnung aus. Der geplante Mobilfunkmast von E-Plus, der auf einer privaten Scheune installiert werden soll und damit der dritte in der Ortsmitte wäre, sorgt immer noch für Ärger. Mit einer Infoschrift, die an alle Haushalte verteilt wurde, hat die Initiative die Bürger auf das Problem aufmerksam gemacht und 542 Unterschriften für den Antrag auf Verlegung der Sendeanlage außerhalb der bewohnten Ortslage zusammengetragen. Das sind 48,4 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung - auf die Haushalte bezogen also 57,9 Prozent, die hinter dem Antrag der Initiative stehen. Die Unterschriften wurden der Gemeinde am 30. Oktober mit einem schriftlich formulierten Antrag übergeben. Am 7. November fand ein Gespräch zwischen E-Plus und Vertretern der Gemeinde (Ortsbürgermeisterin und Beigeordneten) statt, zu dem die Initiative aber ausdrücklich nicht zugelassen war."Wir warten jetzt die Messergebnisse ab"

Der Vermieter der Scheune für den Maststandort nahm auch nicht an dem Treffen teil. "Nach diesem Gespräch ist nicht mehr erkennbar, auf welcher Seite die Gemeinde steht. Die sind jetzt total umgekrempelt", sagt Hesse enttäuscht, denn die Gemeinde hatte vorher Verständnis für die Sorge der Initiative gezeigt. Die Gemeindevertreter hatten bei dem Treffen mit E-Plus vereinbart, dass ein Strahlenfachmann (der vom Mobilfunk-Anbieter bestellt und bezahlt wird) die derzeitige Strahlenbelastung feststellt und dokumentiert, was zwischenzeitlich auch geschehen ist. Die Ergebnisse sollen in einer öffentlichen Ratssitzung vorgestellt und von einem Mediziner (auch von E-Plus bestellt und bezahlt) kommentiert werden. "Zu dieser Verfahrensweise mit von E-Plus beauftragten Fachleuten und Arzt will ich keinen Kommentar abgeben", so Hesse. Die Haltung der Gemeinde erläutert Ortsbürgermeisterin Heike Hermes: "Ich hatte schon vorher meine Meinung dazu, und die hat sich nicht wesentlich geändert. Als Rat sind wir nicht Entscheidungsträger, da es einen privatrechtlichen Vertrag gibt - das ist das Problem. Wir hatten nur im Rahmen des Baurechtsantrags zu entscheiden. Eine Bürger-Befragung zu einer Baugenehmigung lag nicht an." Der Rat habe die Bedenken der Initiative schon sehr ernst genommen und tue das auch nach wie vor, der Vortrag habe daran nichts geändert, so Hermes. "Wir warten jetzt auf jeden Fall die Messergebnisse ab. Wir können nur die Bedenken weitertransportieren, entscheiden können wir nicht. Wir haben E-Plus Alternativstandorte angeboten." Die Initiative selbst hatte zu einer Infoveranstaltung zum Thema "Gesundheitliche Risiken durch Mobilfunkanlagen im Wohnbereich" eingeladen, bei der Eberhard Greiser von der Fakultät für Human- und Gesundheitswissenschaften der Universität Bremen über Strahlenbelastung referierte. Fast 100 Bürger aus Gillenfeld und der Gemeinde Reinsfeld (Kreis Trier-Saarburg), die ein ähnliches Problem haben, kamen, um den Vortrag des Epidemiologen zu hören. Greiser erklärte anhand verschiedener Studien, dass entgegen den Aussagen der Industrie und Politik durchaus ein erhöhtes Risiko durch die Handystrahlung bestehe. "Es ist mit Strahlen wie mit allem: Auf die Dosis kommt es an", so Greiser. Dabei reagiere nicht jeder Mensch gleich sensibel auf Strahlung, aber besonders Kinder und Jugendliche seien stark gefährdet, an Leukämie oder Krebs zu erkranken, wie Studien ergeben hätten. Seine persönliche Empfehlung zum Problem in Gillenfeld gab der Epidemiologe auch ab: "Basisstationen sollten mindestens zwei Kilometer von Wohngebieten entfernt stehen. Denn für mich ist es klar, dass diese Strahlen Auswirkungen haben." Auf die Frage nach Grenzwerten und Untersuchungen einer möglichen Gefährdung gab Greiser eine klare Antwort. "Wo Untersuchungen möglicherweise eine wirtschaftliche Gefahr darstellen, werden sie nicht gefördert. Grenzwerte sind immer Ergebnisse von Verhandlungen zwischen Lobby und Politikern. Wir sollten aber auch nicht auf den letzten Beweis warten, bis wir präventiv tätig werden."

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