Aufatmen in Marktstraße

GEROLSTEIN. 50 Anwohner und Geschäftsleute kamen zur Bürgerversammlung wegen der Neustrukturierung der Fußgängerzone. Knackpunkte der Diskussion: Splitting der Flaniermeile in zwei Teile, weitere Öffnung für den Autoverkehr, Parkplätze, Änderung der Fahrtrichtung, Zustand des Straßenbelags.

 So sieht es aus, wenn die "Fußgängerzone" für den Verkehr freigegeben ist.Foto: Gabi Vogelsberg

So sieht es aus, wenn die "Fußgängerzone" für den Verkehr freigegeben ist.Foto: Gabi Vogelsberg

Gegen die Pläne, per Durchgangsverkehr durch die Obere und Untere Marktstraße den oberen Teil der Fußgängerzone (ab Rondellvorplatz) zu beleben, gingen die Anwohner der betroffenen Straßen auf die Barrikaden. Allen voran Hans-Martin Stüber: "Ich lebe im Projekt ,Seniorenwohnen‘, und es kann doch nicht sein, dass der ganze Verkehr an unserer Haustür vorbei geht." Außerdem verwies er auf den angrenzenden Kindergarten und die bereits ständig verstopften Straßen durch parkende Fahrzeuge. Theo Hoffmann hat schon beobachtet, dass die Durchfahrt von Feuerwehr- und Rettungswagen behindert wurde. Hans-Peter Kuhl forderte: "Bei den 15 Parkplätzen müsste eine Neuregelung der Parkzeit eingeführt werden, maximal eine Stunde." Anwohner Helmut Hein erntete Applaus als er sagte, dass eine weitere Belastung dieser "faktisch reinen Wohngegend" nicht nur den Investoren, sondern der ganzen Stadt schaden würde. Und das Ex-Stadtratsmitglied fügte hinzu: "Die Zone hat nur eine Chance, wenn die Geschäftseigentümer begreifen, dass die Entwicklung von der B 410 kommt. Alles andere bleibt klein-klein." Apotheker Walter Raspe meinte zu den Verkehrsplänen für die Obere und Untere Marktstraße: "Das erfüllt mich mit Grausen." Steuerberater Klaus Lehnen bezeichnete die Ausführungen als "Phantomdiskussion", da die Pläne schlicht inakzeptabel seien. In der anschließenden, nicht öffentlichen Sitzung des Bauausschusses wurden dann auch beide Varianten vom Tisch gefegt. Linnerth: Keine Teilung der Fußgängerzone

Stadtbürgermeister Georg Linnerth (SPD) sagte gegenüber dem TV : "Es wird keine Teilung der Fußgängerzone geben." Weiter ging's mit der Flaniermeile an sich. Lehnen schimpfte: "Der Zustand des Straßenbelags ist jämmerlich und allgemeingefährlich, außerdem ist die Beschilderung zur Fußgängerzone ungenügend." Lang anhaltender Applaus folgte. In die gleiche Kerbe schlug Kuhl: "Für wenig Geld könnten mit Hinweisschildern Touristen zur Fußgängerzone gelenkt werden." Zum Thema Belag wollte Zahnarzt Holger Baumgarten wissen: "Hält der denn überhaupt eine Steigerung des Verkehrs aus?" Und während der Stadtbürgermeister das zumindest bezweifelte, sagte Klaus Jansen, Chef der Bauabteilung: "Sobald finanzierbar, steht mittelfristig die Änderung des Belages an." Dass das notwendig ist, zeigten die Beispiele von Passanten, die immer wieder über hervorstehende Steine stolperten oder auf den glatten, roten Pflasterstreifen ausrutschten. Weiterer Knackpunkt: die Öffnungszeiten für Autos. Seit knapp vier Monaten ist die Flaniermeile nicht mehr nur bis 10 sondern bis 12 Uhr geöffnet. Bei etlichen der etwa 60 Läden hat sich das mit einem Umsatzplus in der Kasse bemerkbar gemacht. Ariane Böffgen-Schildgen aber relativierte: "Das gilt aber nur für Branchen, die Güter für den täglichen Bedarf anbieten. Die Textilbranche konnte keinen merklichen Anstieg verzeichnen." Juwelierin Irmgard Möller pflichtete ihr bei. Lehnen, Vorstandsmitglied des Gewerbevereins, sagte: "Wir haben im Gewerbeverein keine einheitliche Marschrichtung. Ich befürworte die 12-Uhr-Lösung, bei 13 Uhr ist für mich aber das Ende der Fahnenstange erreicht." Orthopädiehausinhaber Ralf Krämer, der eine deutliche Belebung des Geschäftes am Vormittag verzeichnet habe, forderte mit Verweis auf viele seiner gehbehinderten Kunden: "Die Fußgängerzone sollte bis 13 Uhr offen sein." Apothekerin Julia Schildgen-Karl tendierte für eine Verlängerung bis 14 Uhr, damit alle Halbtagsbeschäftigten die Mittagszeit zum Einkauf nutzen könnten. Ab 12 Uhr sei es jetzt "wie abgeschnitten". Ihr Nachbar Rudi Koch, Ihr-Platz-Betreiber, hielt dagegen: "Bis 12 Uhr ist lange genug, und wem das nicht reicht, der soll früher anfangen." Doch "einheitliche Öffnungszeiten" waren - erstaunlicherweise - kein Thema an diesem Abend. Apotheker Raspe brachte dann, die von ihm initiierte Kundenbefragung ins Spiel, die bis Ende April fortgesetzt und dann dem Stadtrat vorgelegt werden soll. Er hatte an alle Geschäfte Listen verteilt, um abzufragen, was die Kunden wollen: Verkehr bis 12, 13 oder gar 18 Uhr. Die Zwischenbilanz fiel klar zu Gunsten einer 18-Uhr-Regelung aus (der TV berichtete). Vom Stadtbürgermeister erntete der Apotheker aber erst einmal deutliche Kritik: "Die Befragung ist nur selektiv. Sie bringt uns nur etwas, wenn alle Gruppen zu den unterschiedlichen Jahreszeiten befragt werden." Gewerbevereinsvorstand Lehnen sagte gar: "Sie ist keine Lösung." Sachliche Diskussion zu heiklem Thema

Sehr kontrovers wurde eine eventuelle Änderung der Fahrtrichtung der Einbahnstraße Fußgängerzone diskutiert. Moritz Schwindling plädierte dafür: "Dann könnte man das natürliche Gefälle nutzen, der Lärm und die Abnutzung der Straße würden reduziert." Taxifahrer Frank Breil, der demnächst den einzigen Schusterladen in Gerolstein reaktiviert, hielt dagegen: "Das ist absoluter Quatsch. Sollen wir dann im Leerlauf da runter fahren?" Breil befürwortete die Regelung, dass die Fußgängerzone morgens offen und nachmittags für Autos zu sei. "Dann kann die Fahrtrichtung bleiben wie sie ist." Bürgermeister Matthias Pauly (CDU) sagte dazu : "Bei einer Öffnung bis 13 Uhr müssen wir uns Gedanken über bauliche Veränderungen bis hin zu verkehrsrechtlichen Maßnahmen machen." Vor allem aber lobte er mehrfach das Publikum für "die sachliche Diskussion zum heiklen Thema".

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