Die Erinnerung nicht begraben

Der Gemeinderat hat einstimmig beschlossen, den Eingangsbereich des Schutzbunkers "In der Holl" zur Erinnerung an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs zu rekonstruieren.

 Ortsbürgermeister Wilhelm Jonas (Dritter von rechts) erläutert die geplante Rekonstruktion des Bunkereingangs nach Berichten von Zeitzeugen wie Wilhelm Theisen (Vierter von rechts) und Eduard Gerhards (Fünfter von rechts). TV-Foto: Brigitte Bettscheider

Ortsbürgermeister Wilhelm Jonas (Dritter von rechts) erläutert die geplante Rekonstruktion des Bunkereingangs nach Berichten von Zeitzeugen wie Wilhelm Theisen (Vierter von rechts) und Eduard Gerhards (Fünfter von rechts). TV-Foto: Brigitte Bettscheider

Kelberg. "Ich finde es sehr gut, dass der Bunker nicht in Vergessenheit gerät", sagt Eduard Gerhards dem Trierischen Volksfreund. Der 78-jährige Kelberger hatte als Jugendlicher im Herbst 1944 beim Bau des Schutzbunkers mitgearbeitet. "Sehr mühsam, alles von Hand", berichtet er über das Herausholen von rund 300 Kubikmetern Felsgestein und Erde. "Der Stollen hat vielen Menschen das Leben gerettet, auch meiner Mutter und meiner Schwester", erklärt Eduard Gerhards sichtlich bewegt.Zu den Zeitzeugen gehört auch der 69-jährige Wilhelm Theisen. Er wohnte damals in der unteren Bergstraße und baute später ein Haus an den Berghang des Fronfelds, in dem sich der Schutzbunker befand. So präsent, als wäre es gestern gewesen

"Selbstverständlich", war seine Antwort auf die Anfrage von Ortsbürgermeister Wilhelm Jonas, ob die Gedenkstätte auf seinem Grundstück errichtet werden könne. "Als wäre es gestern gewesen", erinnert er sich im TV-Gespräch an die Luftangriffe der Alliierten auf Kelberg — besonders an jenen verheerenden vom 16. Januar 1945 (siehe Extra). Im Hof seines Elternhauses hätten Soldaten gelagert, die sie gewarnt hätten: "Verlasst das Dorf!" Während seine Tante und seine Zwillingsschwester mit seinem jüngsten Bruder Richtung Fronfeld gelaufen seien, hätten er und seine Mutter noch nach dem Vieh geschaut. "Dann fielen schon die ersten Bomben", erzählt Wilhelm Theisen. Doch die Flucht sei nach hundert Metern an der Bunkertür erst mal zu Ende gewesen. "Ich lag weinend davor, und meine Mutter bekam die Tür nicht auf." Sie seien weiter gelaufen und hätten mit etwa 50 weiteren Kelbergern Schutz in einem Steinbruch gefunden. "Das Dorf war eine einzige Staubwolke", erinnert er sich. "Kelberg können Sie vergessen", habe ein Soldat den Leuten zugerufen.Der Gedanke, den Eingang des Schutzbunkers zu rekonstruieren, habe ihn schon lange beschäftigt, erklärt der Ortsbürgermeister. Er recherchierte, befragte Zeitzeugen — neben Eduard Gerhards und Wilhelm Theisen auch Anna Schmitt, Hedwig Schmitt und Hermann Molitor. "Schriftliche Quellen über den Bunker gibt es bis heute nicht", bedauert er. Herausgefunden hat Jonas, dass der Eingang von der Dorfseite zu erreichen war und mit einer einfachen Holztür verschlossen wurde. Innen befand sich ein etwa zehn Quadratmeter großer, mit Eichenbalken abgestützter Aufenthaltsraum mit einfachen Sitzgelegenheiten. Der Notausgang lag etwas oberhalb "In der Holl". Ein- und Ausgangsbereich seien nach dem Krieg zugeschüttet worden, um zu verhindern, dass Kinder darin spielen. "Vielleicht auch, um die Erinnerung an die schreckliche Zeit zu begraben", vermutet Wilhelm Jonas. Doch genau das solle die Rekonstruktion verhindern, erklärt er. Der Berg werde etwas aufgegraben und aus einem Eichenbalken-Gerüst und einer Holztür der Eingang nachempfunden; der Vorplatz werde gepflastert. Jonas lobt das Engagement des RWE-Mitarbeiters Ewald Steffens aus Kelberg. So ein Projekt sei bisher noch nicht gefördert worden, weiß Steffens. Die Projektleitung hat Franz-Josef Stephani, Mitglied des Gemeinderats. Bei ihm können sich Helfer melden.Kontakt: Franz-Josef Stephani, Marienweg 4, 53539 Kelberg, Telefon 02692/332. EXTRA Am 16. Januar 1945 wurden rund 300 schwere Bomben auf Kelberg, das an der Straßenkreuzung vom Ahr- zum Moseltal an zwei bedeutenden Aufmarschstraßen lag, geworfen. 15 Zivilisten und 40 Soldaten kamen ums Leben, mehr als 20 Häuser wurden zerstört oder schwer beschädigt, darunter die Schule, die Pfarrkirche, Hotels und Gaststätten. Noch Schlimmeres wurde verhindert, weil die meisten Bomben auf Wiesen und Felder fielen. Die ersten Bombenabwürfe am 23. Dezember 1944 hatten nur Sachschäden verursacht, vier Tage später starben ein 50-jähriger Kelberger und seine 17-jährige Tochter. (bb)

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