Freiheitsstrafen für Pazifisten

COCHEM. Wegen des gemeinschaftlichen Aufrufs zu einer Straftat hat das Cochemer Amtsgericht vorgestern vier Mitglieder der Friedensbewegung zu Freiheitsstrafen von zwei beziehungsweise einem Monat sowie zu Geldstrafen zwischen 400 und 1350 Euro verurteilt - alles ohne Bewährung. Die Angeklagten kündigten an, gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen.

Im Juni hatten vier Mitglieder der Friedensbewegung vor dem Haupttor des Fliegerhorstes in Büchel Flugblätter verteilt, in dem sie die Bundeswehrangehörigen aufforderten, ihre Teilnahme an der nuklearen Teilhabe zu verweigern und sich entsprechenden Einsatzbefehlen zu widersetzen. Damit wollte die Friedensbewegung erneut auf die ihrer Meinung nach völkerrechtswidrige Stationierung von amerikanischen Atomwaffen auf dem Luftwaffenstützpunkt der Bundeswehr aufmerksam machen. Doch das Cochemer Amtsgericht wertete dies als Straftat, weil sie damit die Soldaten zu Gesetzesübertretungen aufgefordert hätten. Dem widersprachen die vier Angeklagten, die schon mehrfach wegen Aktionen in Büchel vor dem Cochemer Amtsgericht standen, in der Verhandlung vehement. "Die nukleare Teilhabe in Büchel ist völkerrechtswidrig. Der Aufruf, sich dieser Teilhabe zuwidersetzen, kann daher nicht rechtswidrig sein", sagte der Heidelberger Sozialarbeiter Hermann Theisen, der bereits im März dieses Flugblatt vor Büchel verteilt hatte. Der Stuttgarter Friedensforscher Wolfgang Sternstein verwies dabei auf das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs, wonach die Androhung mit nuklearen Waffen völkerrechtswidrig sei: "Hier ist es unsere Pflicht, darauf aufmerksam zu machen. Wir wollen auch auf die Missachtung dieses Gutachtens, aber auch des Nichtverbreitungsvertrages hinweisen." Und Hanna Jaskolski aus Köln betonte: "Ich fühle mich nicht schuldig, sondern sehe es als meine Bürgerpflicht an, Unrecht auch zu benennen." Dem widersprach die Vertreterin der Staatsanwaltschaft: "Sie haben sich strafbar gemacht. Bei allem Verständnis für die Intention war diese Aktion nicht legitim und ist daher zu ahnden." Sie verwies auf andere Möglichkeiten, auf Missstände aufmerksam zu machen. Rechtsanwalt Heinrich Comes (Köln), der Hanna Jaskolski verteidigte, wies in seinem Plädoyer auf ein Urteil des Berliner Kammergerichts vom Sommer 2001 hin, wo mehrere Angeklagte wegen eines Aufrufs an die Bundeswehrsoldaten 1999, den Gehorsam wegen des Einsatzes in Jugoslawien zu verweigern, freigesprochen wurden. Das Berliner Kammergericht hatte dies als kritische Meinungsäußerung gewertet, die zulässig sei. Er beantragte daher einen Freispruch für seine Mandantin. Doch Richter Wilfried Johann folgte in seinem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte die vier Angeklagten zu Freiheits- beziehungsweise Geldstrafen. "Sie alle haben ohne jeden Zweifel ehrenwerte Motive", betonte er in seiner Urteilsbegründung. Denoch müsse in aller Deutlichkeit gesagt werden, dass ein solcher Aufruf kein legitimes Mittel sei, um dieses Ziel zu erreichen. Auch er verwies auf die Möglichkeit zu Demonstrationen oder der Mitwirkung in Parteien und der parlamentarischen Beratung. In diesem Fall aber sei zu Straftaten aufgerufen worden, die geahndet werden müssten: "Sie wollen nicht anders - ich als Richter kann nicht anders, als sie zu verurteilen", sagte Johann. Es steht zu erwarten, dass über diese Frage allerdings noch weitere Gerichte urteilen. Denn noch im Gerichtssaal kündigten mehrere der vier Friedensbewegungs-Mitglieder an, Rechtsmittel gegen dieses Urteil einzulegen und damit vor das Land- oder das Oberlandesgericht in Koblenz zu gehen. S Der Autor, Dieter Junker, ist Redakteur bei der Rhein-Zeitung.

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