Improvisation schafft Provokation

GEROLSTEIN-LISSINGEN. "Was ist normal?" – Eine Diskussion um die Antwort löste das Musikereignis "Adam Noidlt Missiles" auf der Burg Lissingen aus. Die fünfte Veranstaltung der "Kyllt(o)ur" 2005 war Musik-Improvisation in Reinkultur. 100 Zuhörer waren auch als Zuschauer gefordert.

Das Resümee lautete von "Gewöhnungsbedürftig" bis hin zu "Phantastisch". "Irre. Was ganz Spezielles. Ich bin begeistert", bilanzierte Schirmherrin Marie-Luise Niewodniszanska. Matthias Pauly, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Gerolstein, holte weiter aus. Er bezeichnete das Festival als "wunderbares Experiment" und sagte: "Jeder muss seine Antwort finden. Aber wer sich auf die Provokation einlässt, wird gewinnen." Nicht alle 100 Gäste konnten sich auf die Darbietungen einlassen. Ein Ehepaar sprach von einem so genannten "Untergruppen-Konzert". Die Frau wollte den Besuch abbrechen. Ihr Ehemann meinte: "Jetzt sind wir hier. Da müssen wir durch." Anderen Besuchern gefiel der Festival-Beitrag sehr. Martin Adrian aus Gerolstein sagte: "Es ist toll, so was direkt vor der Haustür zu erleben. Dafür müssen wir sonst bis nach Hamburg oder Berlin fahren." Seine Ehefrau Agi unterstrich: "Es ist total vielseitig, und man wird richtig von der Musik mitgenommen." Dorothée Fischer aus Düsseldorf genoss die "tolle Atmosphäre". Mit Blick auf den Kontrast des alten Burggemäuers und der modernen Musik sagte sie: "Sehr anregend. Sehr künstlerisch."Geist der 70er Jahre war zu spüren

Beate Jakob aus Schönecken fühlte sich an "die alten Zeiten der 70er Jahre" erinnert. Und genau in dem damals propagierten Freigeist orientierte sich Frank Köllges alias Adam Noidlt als "Steuermann" des Orchesters. Er brachte 25 Profi-Musiker, von denen jeder als Solist internationale Erfolge verbucht, auf der Burg Lissingen zusammen. Vor dem großen Finale in der Burgscheune gaben einzelne Musikergruppen an verschiedenen Stellen der Burg 20-minütige Untergruppenkonzerte. Alles frei improvisiert. Aus dem Bauch raus. Auf die Stimmung, die das Publikum oder die Umgebung widerspiegelten, eingehend. Je mehr die Füße der Gäste wippten, je mehr die Hüften schwangen, desto ausgelassener wurden die Musiker. Gernot Bogumil hielt seine Taschen-Trompete kurzerhand in eine blecherne Kanne. Der Italiener Nicolao Valiensi zog den Trichter vom Euphonium und stülpte ihn seinem Nebenmann übers Instrument. Klarinettist Friedemann Graef ließ sich von den Schwalben, die den Himmel überm Burghof kreuzten, inspirieren und tauchte seine Klarinette in den Wassertrog der Regenrinne. Ein Plätschern wie ein Flügelschlag erklang. Saxophonist Norbert Stein, der mit seiner "Pata-Musik" (komponiertes aus E-Musik, Jazz und Liedertradition) über alle fünf Kontinente tourt, meinte: "Heute Abend ist viel Geist der 70er Jahre zu spüren. Wir haben eben backstage auch darüber gesprochen." Eben das Gefühl, die Freiheit zu haben, musikalisch alles zu tun. Aber nicht egoistisch. Dafür sorgte Frank Köllges im Abschlusskonzert. Auf seine pantomimischen Zeichen reagierten die Musiker perfekt. Köllges lutschte am Daumen - die Musik wurde träumerisch. Er hielt die Hände an den Kopf wie ein Torero - die Musik wurde angriffslustig. Der Augen- und Ohrenschmaus zog das Publikum in den Bann. Auch den Burgherrn Karl Grommes, der von der diesjährigen Teilnahme an der Kyllt(o)ur überzeugt werden musste. Nächste Veranstaltung der Kyllt(o)ur 2005 ist am 10. September auf der Burg Dudeldorf, "Der fliegende Holländer"- ein Theaterabend für Streichquartett, Orgel und Schauspieler. Infos: Teneka Beckers, Burg Dudeldorf, Telefon 06565/933446.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort